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Zucht

„Zucht” heißt sprachlich nichts anderes als „Erziehung”; aber wir verstehen unter Zucht besonders die Kraft einer Gemeinschaft, die ihr widerstrebenden Kräfte niederzuhalten und ihren Widerstand zu brechen; der festgeprägte Stil einer jeden Gemeinschaft bedingt zugleich die Kraft, mit der sie das Leben ihrer Glieder formt und die zersetzenden Giftstoffe ausscheidet. In diesem Sinn ist die Manneszucht eines Heeres die unerläßliche Voraussetzung seiner Kampfkraft.

Geistliche Zucht im besonderen ist der ständige Widerstand des heiligen Geistes gegen die Sünde im Leben des einzelnen Christen und der Gemeinde. Zucht übt Gott an uns, indem er uns die Strenge seiner Gerichte und den Ernst seiner uns heimsuchenden Liebe erfahren läßt; Zucht sollen und können wir selbst an uns üben, indem wir treu sind im täglichen Kampf mit der Trägheit und Bosheit des Herzens und in aller heilsamen geistlichen Übung, vor allem freilich ist die Zucht notwendige und unentbehrliche Lebensform der Gemeinde; „Kirchenzucht” umfaßt alle jene Ordnungen, in denen die Kirche der strafenden und heilenden Macht des heiligen Geistes Raum geben möchte, jene Ordnungen, nach denen Menschen, die sich gegen das Lebensgesetz der christlichen Gemeinde vergangen haben, zurechtgebracht und die „Unbußfertigen” schließlich zu ihrem eigenen Besten aus der Gemeinde entfernt werden. Doch wird wirkliche geistliche Zucht mehr als durch solche Ordnungen durch den Dienst gefördert, der in Seelsorge und Beichte geleistet wird. Der tatsächliche Verfall jeder ernsthaften kirchlichen Zuchtübung - von der Reformation keineswegs gewollt, aber auch nicht verhindert - darf uns nicht darüber täuschen, daß es ohne fühlbare Zucht keine glaubwürdige Gestalt des Christentums geben kann. Darum hat die Gesamtkirche das dringendste Interesse daran, daß wenigstens in kleineren Kreisen und Gemeinschaften aller Art (Bruderschaft) solche Zucht als Ausdruck wechselseitiger Verantwortung stellvertretend und beispielhaft wiedergewonnen werde.

Das Gottesjahr 1941, S. 125-126
© Johannes Stauda-Verlag Kassel

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-02-19
 

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