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Versöhnung muß da geschehen, wo Unfriede entzweit, was doch zusammengehört. Das Evangelium ist „das Wort von der Versöhnung”, weil die Menschenwelt, von Gott und für Gott geschaffen, sich von diesem ihrem Ursprung entfernt hat und unter dem Verhängnis und Fluch des ständigen Aufruhrs gegen den Willen Gottes steht. In verschiedener Form und in sehr verschiedener Tiefe wissen alle Religionen um die Gefahr, die dem Menschen aus dem Zorn der beleidigten Gottheit droht, und sie versuchen darum mit Opfern und anderen Sühneriten Gott zu „versöhnen”. Der christliche Glaube ist nicht beteiligt an biesen Versuchen, sondern er lebt davon, daß umgekehrt Gott die Welt mit sich versöhnt. Gott schafft Frieden und macht den ihm widerstrebenden Menschen zu seinem Freund (2. Kor. 5, 19). Das griechische Wort, das wir mit „versöhnen” wiedergeben, heißt eigentlich: einen Menschen so ändern, daß ein gestörter Gleichklang wieder hergestellt wird. Das ist es, was mit dem Menschen geschieht, wenn er mit Gott versöhnt wird. Das Wort Versöhnung hängt zwar nicht, wie manche gern glauben, sprachlich mit „Sohn” zusammen; aber es ist richtig, daß der mit Gott versöhnte Mensch nun in Wahrheit und in völligem Sinn zu den Kindern Gottes gehört. Weil Gott den Menschen als Menschen behandelt, wird niemand zu solchem Frieden mit Gott gezwungen; weil viel menschlicher Eigenwille, der Gott widerstrebt, überwunden werden muß, darum wird der Mensch durch das Evangelium mit aller Dringlichkeit aufgerufen und ermahnt: Lasset euch versöhnen mit Gott, lasset an euch geschehen, was Gott an euch tun will! Die Versöhnung mit Gott hat ihre notwendigen Rückwirkungen auf das Verhältnis der Menschen untereinander. In der Bereitschaft, uns mit menschlichen Feinden, so viel an uns liegt, zu versöhnen, zeigt es sich, ob wir mit Gott versöhnt sind oder nicht. Darum ist es mehr als eine sinnvolle Sitte, daß sich die Glieder der Gemeinde, ehe sie zum Tisch des Herrn gehen, miteinander versöhnen. Und die Mahnung alter Liturgien ist sehr berechtigt und notwendig, daß keiner mit einem unversöhnten Herzen, mit Groll gegen einen Bruder, sich unterfange, das Mahl der Versöhnung zu empfangen. Das Gottesjahr 1941, S. 116-117 © Johannes Stauda-Verlag Kassel |
© Joachim Januschek Letzte Änderung: 13-02-19 |