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Seele

In dem vieldeutigen und schillernden Gebrauch dieses Wortes lassen sich in der Hauptsache zwei Gruppen seiner Verwendung unterscheiden. Die herkömmliche Betrachtung des Menschen stellt gern die „Seele” als das Unsichtbare und Unsinnliche allem Körperlichen gegenüber und sagt wohl, der Mensch „habe” „Leib und Seele”. Dabei tauchen dann eine Fülle von Fragen auf, in denen sich verschiedene Anschauungen der Psychologen zum Teil schroff gegenüber stehen: ob im Gegensatz zur Räumlichkeit das Bewußtsein das eigentliche Merkmal des Seelischen ist, oder ob unser Bewußtsein selbst nur ein kleiner Teil des seelischen „Raumes” ist; wie sich die „Seele” zum Geist als dem erkennenden Denken verhält und ob nicht Seele und Geist ständig im Kampf miteinander liegen. Solche und ähnliche Fragen bleiben hier füglich beiseite, weil die christliche Sprache, wo sie von der Seele redet, etwas ganz anderes als diese „psychischen Phänomene” meint. Sie redet von der Seele als dem Leben schlechthin oder als der geheimnisvollen Kraft, die den Menschen erst zum lebendigen Wesen macht; sie meint den Menschen selbst in seinem ewigen Schicksal, von Gott angeredet und vor Gott verantwortlich. Darum heißt „seine Seele verlieren” (Matth. 16, 25 f.) nichts anderes als sich selbst verlieren und als Mensch verloren sein; und so verstanden hat es seinen guten Grund, von der Zahl der „Seelen” in einer Gemeinde und von der „Seelsorge” zu reden, die wir als Christen einander schuldig sind.

Das Gottesjahr 1941, S. 104
© Johannes Stauda-Verlag Kassel

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-02-19
 

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