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Die „Rechtgläubigkeit”, das heißt die Bemühung, im Glauben wirklich die ganze und unverfälschte Wahrheit zu ergreifen und lehrend weiter zu geben, ist eine notwendige und unaufgebbare Sorge der gesamten christlichen Kirche. Der Kampf für den „orthodoxen” Glauben gegen die Häresie entspringt in seinem ursprünglichen Sinn nicht einer herrschsüchtigen Rechthaberei, sondern einer ernsthaften Verantwortung für das Heil der Welt, weil die Häresie (wie dieses Wort besagt) eine Teilwahrheit (z. B. den Glauben an die göttliche Schöpfung der Welt) aus dem lebendigen Zusammenhang löst, sie dadurch in ihrem Sinn verfälscht und damit zugleich sich selbst aus dem tragenden Gefüge der einen und unteilbaren Christenheit entfernt. In diesem Sinne muß jeder Zweig der christlichen Kirche auf seine Orthodoxie bedacht sein; die Kirche des Ostens nennt sich in Sonderheit „orthodox”, in bewußtem Gegensatz gegen die von ihr bekämpfte Entwicklung der abendländischen Kirche. Wo freilich die Fülle des Glaubens mit der Vollständigkeit und Korrektheit der Lehre verwechselt wird, da kann die Orthodoxie zur spitzfindigen und rechthaberischen Verteidigung der „reinen Lehre” entarten. Aber es ist notwendig, hinter diesem Zerrbilde, dem es an Demut, an Heiligung und an Liebe mangelt, den echten und unaufgebbaren Sinn dieses Wortes zu sehen und zu achten. Das Gottesjahr 1941, S. 90 © Johannes Stauda-Verlag Kassel |
© Joachim Januschek Letzte Änderung: 13-02-05 |