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von Hans Faißt |
Es hat Zeiten gegeben - sie sind noch gar nicht lange her - daß es befremdlich wirkte, wenn man davon sprach, daß die Kirche leiden müsse. Das kam daher, daß sie nicht zu leiden hatte, oder daß, was man so hätte nennen können, den Namen des Leidens nicht verdiente. Und doch ist es das Selbstverständlichste von der Welt, daß die Kirche leiden muß; ist Christus ihr Herr, so kann es seinen Knechten nicht anders ergehen als ihm; denn der Jünger ist nicht über seinen Meister. Hat er gelitten, so werden sie leiden müssen; haben sie ihn verfolgt, so werden sie seine Gemeinde verfolgen; haben sie den Hausvater Beelzebub geheißen, wieviel mehr werden sie seine Hausgenossen also heißen. Warum hat denn Christus leiden müssen? Weil er selbst und das, was er lehrte, im Widerspruch stand zur Welt. Sie will keinen Herrn haben, der ihr gebietet, was ihr nicht paßt und ihrer Eigensucht widerstrebt - sie will selber Herr sein und in ihrem Hause befehlen. Sie regiert nach den Gesetzen der Macht und der Selbstsucht - sie erträgt es nicht, daß man etwas Höheres kennt und zum Maßstab aller Dinge macht, nämlich die Liebe; sie will sich selbst durchsetzen um jeden Preis und sich vor niemandem beugen; wer ihr widerstrebt und Gottes Anspruch geltend macht, erscheint ihr als Feind und ist ihr Feind, nämlich der Feind ihrer Selbstherrlichkeit. D a r u m hat Christus gelitten; er wurde verworfen von den Oberen seines Volkes und seiner Kirche, weil er alle irdische Gewalt beugen wollte unter die Gewalt Gottes; weil er alle Sitte, alles Brauchtum seines Volkes beurteilte nach dem ursprünglichen Willen Gottes und nicht nach dem Wohlgefallen der Menschen; weil er eintrat für die Wahrheit gegen die Lüge, für das Echte gegen die Heuchelei - weil er selbst mit seinem Wesen und Tun das Treiben der andern beständig in Frage stellte und ein unbequemer Mahner, Warner und Richter war. Nun ist es klar, daß die Kirche, die sich nach seinem Namen nennt, denselben Auftrag hat wie er; daß sie darum, wenn sie wirklich lebendig und innerlich ist, immer von Neuem in Widerspruch gerät mit der Welt und ihre Feindschaft herausfordert. Darum muß Verfolgung und Anfeindung jeder Art über sie kommen; bleibt das aus, so erweist sie sich damit als unkräftig, träge und ihres göttlichen Auftrages nicht bewußt; handelt sie aber im Sinne ihres Herrn, so kommt das Leiden als notwendige Folge über sie; und je größer die Leidenschaft auf beiden Seiten ist, mit der man für seine Sache eintritt, desto gewalttätiger sind die Mittel, welche die Welt gebraucht, um sich selbst zu behaupten, bis hin zur Tötung des Widersachers. Aus diesen Gründen sind die großen Zeiten der Kirchengeschichte gekennzeichnet durch das Leiden und Sterben der Märtyrer. Wer sich zu Christus bekannte als dem Inbegriff alles dessen, was der Welt zuwider ist, der erlag ihrem Zorn, verlor Haus und Hof und Heimat und oft genug das Leben. So ist es geschehen in den Tagen des werdenden Christenturns, so in den Tagen der Reformation und Gegenreformation, so in unserer Zeit in den baltischen Ländern, und wer will sagen, ob nicht auch unsere Generation noch für ihren Glauben mit Gut und Blut wird einstehen müssen! Und das um so mehr, je kräftiger sich die Kirche darauf besinnt, daß sie nicht nur eine leidende sein soll, sondern zugleich eine kämpfende, die ihrerseits zum Angriff übergeht. Denn die wahre Kirche Christi ist herrschsüchtig - nicht im Sinne der Welt, die mit Zwang und Gewalt ihr Regiment aufrichtet und behauptet, sondern in dem Sinne, daß sie alles, was ist, dem Geiste Jesu Christi unterwerfen will, nicht mit Zwang und Gewalt, sondern allein durch das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes. Denn sie hat es im Grunde ja gar nicht mit den weltlichen Mächten zu tun; sie kämpft nicht gegen den Staat und seine Einrichtungen, sie will sich nicht selbst an seine Stelle setzen und weltliche Gewalt üben; sondern sie hat es mit überweltlichen Mächten zu tun, nicht mit Fleisch und Blut, sondern mit dem, was hinter ihm steht und die treibende Ursache all ihres Handelns ist, mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen: mit den bösen Geistern unter dem Himmel! Mit den bösen Geistern der Gottlosigkeit und Vermessenheit; mit den bösen Geistern der Lieblosigkeit und der Selbstsucht; mit den bösen Geistern der Feindschaft wider Christus und sein Reich. Mit einem Wort: sie kämpft gegen den Fürsten dieser Welt, den Satanas, die alte Schlange - sie kämpft gegen ihn wie der Erzengel Michael, der auf ihren Rücken tritt und sie mit dem Speer des göttlichen Wortes verwundet und schließlich zu Fall bringt. Der alt böse Feind - Mit Ernst ers jetzt meint;Soll die Kirche darum verzagen? Sie sollte es doch wissen, daß auch sie es in ihrem eigenen Bereiche nicht vornehmlich mit weltlichen Dingen zu tun hat, sondern mit der Sache Jesu Christi, welche die Sache des Reiches Gottes ist. Darum gilt von ihr, was Paulus von sich selber sagt im Blick auf die Trübsale, die er erdulden muß: Ob unser äußerlicher Mensch verdirbet, so wird doch der innerliche von Tag zu Tag erneuert. Denn die Kraft Gottes ist in den Schwachen mächtig; je mehr die Kirche bedrängt wird, desto lebendiger wirkt in ihr der Geist, welcher die Welt überwindet; je stärker der Druck ist, der auf sie ausgeübt wird, desto mächtiger der Widerstand des Geistes; je mehr sie Blut vergießt, desto kräftiger der Same, eben das Blut der Märtyrer, aus dem sie erwächst - denn der Herr ist ihr dann gerade am nächsten, wenn er ihr am fernsten zu sein scheint. Die unterliegende Kirche ist immer zugleich die triumphierende; von ihren Gliedern gilt, daß sie sich gerade in Trübsalen, in Nöten, in Ängsten, in Schlägen, in Gefängnissen als die Diener Gottes erweisen, in dem Wort der Wahrheit, in der Kraft Gottes, durch Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken; durch Ehre und Schande, durch böse Gerüchte und gute Gerüchte, als die Verführten und doch wahrhaftig - als die Sterbenden und siehe wir leben, als die Gezüchtigten und doch nicht ertötet, als die nichts innehaben und doch alles haben. Auf diese Weise gleicht die Kirche wahrhaftig ihrem Herrn, der unterliegend den Sieg davontrug. Aber wie für ihn der Tag kam, da er siegend siegte, als er auferstand von den Toten, so soll auch die Kirche Jesu Christi mit ihm triumphieren, wenn die Leiden dieser Zeit vorüber sind, die der Herrlichkeit nicht wert sind, die an uns offenbart werden soll. Dann wird sie dem Erzengel Michael in seiner Siegerhaltung gleichen; dann wird die Schlange sich nicht mehr rühren und nicht mehr sich rächen können, sondern ganz und gar unter ihre Füße getan sein. Dann ist sie die Gerettete und Erlöste, die Sieggekrönte, die nach Kampf und Leiden den Einzug hält in das ewige Reich Gottes, da sie den von Angesicht zu Angesicht schauen darf, für den sie gelitten und gestritten hat, für den sie unterlag und auferstand in den Tagen ihres irdischen Lebens, mit dem sie triumphiert in alle Ewigkeit. Das Gottesjahr 1935, S. 126-129 © Bärenreiter-Verlag Kassel (1935) |
© Joachim Januschek Letzte Änderung: 16-02-10 |