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Mission
von Adolf Köberle

LeerIst die Mission eine unentbehrliche Lebensäußerung der christlichen Kirche oder kann darauf auch verzichtet werden? Die Einwände, die gegen den organischen Zusammenhang von Kirche und Mission erhoben werden, erklingen gegenwärtig wieder einmal zahlreicher und stärker denn je. Wer Christus nicht als den Herrn der Welt, als den Träger göttlicher Selbsterschließung anerkennen und ergreifen kann, dem muß der Hoheitsanspruch der Mission, das Evangelium bis an die Enden der Erde zu tragen, von vornherein unverständlich und ärgerlich erscheinen. Die Wirtschaftsnot in der Heimat, der Existenzkampf des eigenen Volkes um Sein oder Nichtsein, der jedes Jahr mit neuer Sorge erwartete Winter, das alles scheint das Nachjagen nach fernen Zielen erst recht zu verbieten.

LeerAm stärksten hat die Kritik in unseren Tagen wohl auf zwei grundsätzliche Bedenken gegenüber aller Missionsarbeit hingewiesen. Man fragt sich: ist dieses ganze Unternehmen, das da von europäischen und amerikanischen Kirchen und Gemeinden mit so viel Energie durchgeführt wird, in Wahrheit nicht doch nur eine vertarnte Kulturpropaganda, die fremde Völker und Länder dem eigenen staatlichen Machteinfluß erschließt? Sind die Missionare im Grund nicht doch nur die Pioniere für kolonisatorische Eroberungsgelüste, für die Gewinnung neuer Absatzmärkte, für die zivilisatorische Durchdringung fremder Erdteile? Eng damit zusammen hängt der andere Einwand: werden die eingeborenen Völker durch den Werbedienst der Mission nicht in ihrem Wesen vergewaltigt, werden sie nicht dadurch ihrer Sprache, Sitte, Volksart und Kultur immer mehr entfremdet und zur Annahme einer religiösen Erkenntnis und Lebensführung gezwungen, die ihnen gar nicht entspricht, die sie darum auch nie ganz erfassen können?

LeerWer die Missionsgeschichte der christlichen Kirche überblickt, der weiß, daß solche Fragen und Bedenken nicht völlig grundlos sind. Es hat in der Tat Zeiten und Fälle gegeben, wo die Mission in der Gefahr stand, im Dienst zweckhafter Propaganda zu entarten, wo der Sendungsdienst der Kirche die Schöpfung nicht erlöste, sondern vielmehr zu zerstören drohte. Und doch können diese Gefährdungen den Lebenszusammenhang von Kirche und Mission niemals zerschneiden. Denn im Evangelium, von dem unser Glaube lebt, ist alles universal, weltweit, allumspannend, grenzenlos: Gottes Gericht und Gottes Gnadeneinladung, der Menschheit Elend und die der Menschheit gegebene Hoffnung. Es geht in der Bibel in Verheißung und Anspruch nicht nur um den Einzelnen. Es geht um die Völker, ja es geht um die ganze Schöpfung. Es geht um größere Dinge als nur um meine Not und Beseligung, als nur um meine Knechtschaft und Befreiung. Gewiß, Gott, der in Christus handelt und spricht, nimmt mein Leben, meine Sünde, meine Schuld wahrhaftig ernst; ich mache ihm Mühe mit meinem Ungehorsam und an meinem Herzen arbeitet er, daß ich seine Liebe fasse und sein Kind werde. Aber niemals darf darüber vergessen werden, daß der Auftrag der Kirche über unser persönliches Heil weit hinausgreift als große Verpflichtung und als umfassende Verheißung, die in allen Landen, die unter allen Völkern und Farben gilt.

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LeerDie eingeborenen Volker haben ein feines Empfinden dafür, aus welchem letzten Antrieb heraus man sich ihrer annimmt. Wo die Mission im Bannkreis machtpolitischer Faktoren erscheint, da wird sie unzweideutig abgelehnt. Niemals erschließen sich einem Prediger, der nur die englische Kolonialsprache beherrscht, die letzten Tiefen afrikanischer Sitte und Väterweisheit. Nur wo wirklich gedient wird mit brüderlich suchender Liebe und Treue, da erwacht das Vertrauen, da findet die Botschaft von Christus Echo und Eingang in den Herzen. Darum hat die deutsche evangelische Mission seit den letzten 15 Jahren ganz besondere Möglichkeiten des Wirkens erhalten. Wenn die Männer und Frauen aus dem arm gewordenen Mutterland der Reformation nach draußen kommen, dann ist jeder Verdacht ausgeschlossen, als würden hier doch wieder nur im Geheimen allerlei artfremde Lebensziele verfolgt, dann ist es für die fremdfarbigen Menschen deutlich, daß hier allein ein göttliches Muß drängt: die Last des Weltleides, die Schuldnerschaft vor Gott, der Retterwille aus Liebe.

LeerWo wirklich Evangelium verkündigt wird und nicht nur eine neue humanitäre Gesellschaftsordnung gelehrt wird, da merkt die heidnische Welt dann auch zu tiefst, daß es sich hier um ein göttliches Lebenswort handelt, das ihr Bestes will. Es ist ja nicht so, daß die Fremdreligionen in ihrer völkischen Artgemäßheit eine reine Welt darstellen. Im Gegenteil, diese Welt ist in einer geradezu erschütternden Weise verkrümmt und zerrissen. Sehnsucht nach Erlösung und wildeste Sinnenbesessenheit, Wahrheitsverlangen und Wahnverfangenheit, Gottesfurcht und entsetzlicher Geist der Angst, das alles mischt sich in einem unauflösbaren Verschlungensein und läßt die Menschen zu keinem Herzensfrieden, zu keiner rechten Freiheit und Freude kommen. Weil die Macht der Finsternis alles göttliche Schöpfungswerk verdorben und entstellt hat, weil alle menschliche Art so schmerzlich entartet ist, darum bedarf alle geschaffene Kreatur, jeder Menschengeist, jeder Volksgeist, auch jede Religion der Reinigung und Erlösung durch den Geist Gottes, dessen Art es nicht ist, Leben zu zerstören, sondern Leben in der Richtung auf den göttlichen Ursprung hin zu befreien. Die Mission unserer Tage hat die Fehler längst eingesehen und abgetan, die in vergangenen Zeiten da und dort vorgekommen sein mögen. Sie hält sich heute bewußt frei von allen Fremdmotiven, die nicht dem Wesen des Evangeliums selbst entstammen. Sie baut ihr Werk nicht neben dem Volk draußen, nicht abseits vom Naturboden. Sie baut die Gemeinden hinein in die schöpfungsmäßige Art von Stamm und Rasse. Sie kämpft gegen alle Vergewaltigung und Zerstörung eingeborenen Volkstums zu Gunsten europäischer Lebensformen, aber sie läßt dabei die Menschen nicht in ihrer Gefangenschaft sitzen, sondern richtet ihr Leben durch die Kraft des Christuszeugnisses, durch den Dienst eines lebendigen Gemeindeaufbaues auf die rechte Bahn.

Das Gottesjahr 1935, S. 116-119
© Bärenreiter-Verlag Kassel (1935)

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 16-02-10
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