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von Heinz Dietrich Wendland |
Die Kirche hat einen Herrn, Jesus Christus. In dem Bekenntnis zu diesem Namen gründet sich die Einheit der Kirche, mit ihm steht oder fällt sie. Aus der Fülle der Völker, aus den Verschiedenheiten und elementaren Gegensätzen der Sprachen und Sitten, der Kulturen und Weltanschauungen, der Rassen und der Seelen werden Menschen durch diesen Namen eins. Denn dieser Name ist kein Name wie menschliche Namen, er hat göttliche Macht: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. In die Völkerwelt gehen die Boten Jesu Christi und verkünden die göttliche Gewalt seines Namens, vor dem sich der ganze Kosmos beugen muß, Aus der Völkerwelt kommen Menschen, die gerufen sind durch diese Kunde: sie werden eine Gemeinschaft, die sie vordem nicht waren, sie empfangen eine Gliedschaft, in der sie vordem nicht standen, sie werden Leib Christi. Als der Leib Christi, durch die Macht seines Namens, durch die Kraft seines Geistes, ist die Kirche eine Einheit. Und sie kann es nur bleiben, wenn sie den Namen ihres Herrn bekennt, unter der Gabe seines Geistes sich weiß. „Denn in einem Geiste sind wir alle zu einem Leibe getauft worden, ob Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, und alle sind wir mit einem Geiste getränkt worden” (1. Kor. 12, 13). „Da ist nicht mehr Jude oder Grieche, nicht mehr Knecht oder Freier, nicht mehr Mann oder Frau, nein, ihr seid allesamt Einer in Christus Jesus” (Gal. 3, 28). Weil die Einheit der Kirche in göttlicher Macht und Gnade steht, kann sie mit verneinenden Ausdrücken oder Worten, die lediglich Beziehungen in der menschlich-irdischen Ebene bezeichnen, wie: international, übernational, menschheitlich oder ähnlichen gar nicht ausgesagt werden. Wenn mit solchen Worten das gemeint ist: die Kirche Christi ist an die ganze Menschheit gesandt, das Evangelium von der Gottesherrschaft ergeht an alle Völker, Christus ist der Herr der Menschheit, der Erlöser der Welt, so sind sie recht verstanden. Aber so bedeuten sie gerade das nicht, was man so oft mit ihnen sagen will: daß die Kirche eine Art Weltstaat oder Weltorganisation wäre, eine internationale Größe, eine Menschheitsreligion oder übernationale Weltanschauung. Dann wäre sie ja nur eine Einheit vom Menschen her, statt von Gott, ein bloßes Menschheitsreich, statt Reich Christi zu sein. Aber ist die Einheit der Kirche nicht entsetzlich bedroht? Wir sprechen jetzt nicht von der Bedrohung durch mangelnde Liebe, schwachen Glauben, falsche Lehre. Wir fragen: ist die Kirche Christi nicht durch die Vielfalt der Völker, die unübersehbare brausende Mannigfaltigkeit des Völkerheeres bedroht? Noch mehr: ist sie nicht zerrissen durch die Gegensätze und Klüfte, durch Kampf und Haß zwischen den Völkern? Ist die Einheit der Kirche nicht bloß eine schwache, inhalts- und kraftlose Idee, die über der Zerreißung der Kirche Christi durch Völker und Volkskirchen schwebt, ohne je verwirklicht werden zu können? Und doch kann das nicht die ganze Wahrheit sein. Die Kirche leidet nicht nur in ihrer Einheit unter den Völkern mit ihrer Vielfalt und Gegensätzlichkeit, sondern sie erbaut sich auch in Blut und Leib, Seele und Geist der Völker. Die Völkerkirche wird Volkskirche. Die Kirche Jesu Christi geht in den Völkern und Volkstümern nicht auf, aber sie geht in die Völker ein. Sie löst sich nicht aus zu einer bloßen Volksgemeinde, sie kann nicht eine Volksreligion werden, die andere Völker ausschließt, aber sie schwebt auch nicht über den Völkern leib- und gestaltlos. Denn sie kann das nicht verachten, was Gott geschaffen hat: die Fülle des Lebens der Volkstümer in ihrer unbeschreiblichen Besonderheit und Einmaligkeit; sie kann die Ordnungen und die Bindungen nicht verachten, die Gott dien Menschen mit den Lebensgesetzen des Volkstums gegeben hat. Die Kirche muß all diese Wirklichkeit ehren, lieben und heilig halten, so gewiß sie auch die Macht der Sünde kennt, die dieses reiche, schöne Leben der Völker zerreißt, entheiligt und sie Gott den Rücken kehren läßt, wie die Macht des Todes, der bis zum Kommen des Herrn dieses Leben in Banden hält. Ja, sie kann selber gar nicht zur vollen Wirklichkeit werden für die Völker als so, daß sie sich ganz hineinlebt und -leibt in die Volksgebundenheit. Wir beten und singen und hören und verkünden in der Sprache unseres Volkes. Damit nimmt die Kirche Jesu Christi teil an der ganzen Geschichte unseres Volkes und so auch an der der anderen Völker, in die sie mit ihrer Botschaft eingeht. In allen Sprachen der Menschheit erklingt ihr Wort. Um ihres Auftrages willen wird sie den Deutschen deutsch wie einst den Griechen griechisch. Sie tritt dienend hinein in die Fülle des erschaffenen Lebens, sie kämpft für dieses Leben mit der zerstörenden Macht der Sünde. Die Gliederung und Mannigfaltigkeit, in die sie sich scheinbar für menschliches Sehen und Verstehen gänzlich auflöst, ist notwendig um ihres Dienstes und Kampfes willen. Freilich tritt sie damit auch unter die Zornesgesetze, die diese alte Weltordnung nach Gottes Willen beherrschen. Wenn Krieg die Völker wider einander empört, ist sie eine leidende und versuchte Kirche: sie leidet unter dem Blute, das vergossen werden muß, wiewohl sie weiß, daß es diese Welt des gefallenen Menschen nicht geben kann ohne Krieg. Sie ist versucht, weil sie ja immer zugleich eine Gemeinde sündiger, irrender Menschen ist: versucht durch einen Weltverbesserungs-Pazifismus, der den Frieden in dieser Welt mit dem Frieden des Reiches Gottes verwechselt und vom Menschen statt von Gott die neue Ordnung der Welt erwartet, - versucht aber auch durch eine oberflächliche Kriegsromantik, die die Tiefe des Kampfgesetzes über der gefallenen Schöpfung nicht ermißt und Gott zum Eigentum der widereinander kämpfenden Völker macht. Darum muß die Kirche in den Völkern, in der Fülle ihrer volkskirchlichen Dienstformen wie in ihrem Leiden unter dem unaufhebbaren Gegensatz der Völker hoffend hinausblicken auf den kommenden Herrn, und das heißt zugleich, auf ihre kommende Einheit. Liebend und leidend bleibt sie in Christus die Eine und erwartet sie in der Hoffnung auf Christus die vollkommene Einheit. Wenn die Völker eingehen in die Herrlichkeit des göttlichen Reiches und die neue Ordnung beginnt, die all' unser Denken übersteigt, dann ist die Einheit der Kirche nicht mehr verborgen und leidend, sondern siegreich offenbar. Aus der Kirche der Völker wird dann das eine Volk Gottes, das des irdischen Tempels und des irdischen Volkstums nicht mehr bedarf. Das Gottesjahr 1935, S. 114-116 © Bärenreiter-Verlag Kassel (1935) |
© Joachim Januschek Letzte Änderung: 16-02-10 |