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von Anna Paulsen |
Die Taufe ist die Eingangstür zur Kirche, der Akt der Aufnahme in sie. Dem modernen Menschen ist diese Handlung in besonderer Weise ein Anstoß, ein Skandalon. Wie die Kirche niemals erfunden worden wäre von Menschen, so hätten wir auch die Taufe niemals so ausgedacht.
Die Kirche ist der Schnittpunkt von Zeit und Ewigkeit, der Leib des erhöhten Herrn, seine Stiftung in der Welt. In der Welt der Sünde ist sie der Ort der Vergebung und damit der Heilung und Rettung. Von der Rettung wird nicht gepredigt, nicht „geredet” nur; sie ist eine Tatsache. So sehr in unserer Welt Tod und Sünde reale Mächte sind - erleben wir das nicht mit besonderer Wucht in unserer Zeit? - so wirklich ist die Rettung und noch wirklicher, denn sie ist ihre Überwindung. Die Taufe ist der Akt, mit dem die Kirche hineingreift in die Welt und Menschen sich eingliedert, in sich einbaut. Hier wird an mir gehandelt, mir zuvorkommend. Gott kam ja auch aus der Ewigkeit mir zuvor mit seinem Heil; des zum Zeichen ist die Taufe gestiftet worden. Von Natur stehe ich wie im Todesschicksal so auch im Gericht Gottes. In diesem Sinn wurde von altersher das Untertauchen ins Wasser gedeutet, und wenn der Täufling ans dem Wasser wieder emporstieg, so galt das als ein Anzeichen dafür, daß er nun dem Gericht entnommen und aus dem Tode ins Leben hindurchgedrungen, daß er wiedergeboren war. In unserem Taufritus soll das Besprengen mit Wasser ein verkürzter Vollzug dieser Handlung sein. Die Taufe ist nicht Symbol nur - so würde man ihren Sinn mißverstehen - sondern sie hat wirkende Kraft und zwar durch das Wort, das hier gesprochen wird. Gott teilt dadurch nicht nur mit, daß er die Rettung der Welt und auch dieses einzelnen Menschen, dieses Soundso, eingerichtet hat, sondern er überträgt auf den Täufling die Frucht des Todes Christi, die Sündenvergebung, die Rettung, das ewige Leben. Die Taufe gibt nicht eine einzelne Gnade nur, sondern den ganzen Reichtum, den Gott uns bestimmt hat. Du bist getauft, das heißt: Auch für dich ist Christus gestorben und auferstanden, deine Schuld ist aufgehoben, ausgelöscht; die Anklage gegen dich ist entkräftigt; du bist frei. Gehst du verloren, so mit vergebener Sünde, mit getilgter Schuld, - weil du die Gnade nicht angenommen hast, die dir zugeeignet wurde. Die Taufe hat einen objektiven Sinn; sie geschieht aber auf Glauben hin und zwar die Kindertaufe auf den Glauben hin, der in dem Kind noch geweckt werden soll. Mit dieser Beziehung auf den Glauben darf freilich die Taufe nicht herabgewürdigt werden ins Subjektive; es darf nicht übersehen werden, daß mit allem Gewicht Gott an mir handelt; und zwar will er mich ganz mit allen meinen Kräften. Ich soll nicht nur willenloses Werkzeug sein, sondern er will auch mein Wollen sich gewinnen, daß ich selbst meine Hand ausstrecke und die Gabe mir aneigne, die er mir schenkt, daß ich im Glauben seinen Ruf bejahe. Daß Gott das Wasser braucht, das ist ein Zeichen dafür, wie sehr er sich mit den Dingen verbindet. Die Dinglichkeit ist nicht nur äußerlich und belanglos, wie wir gewöhnlich denken und tun. Das Sakrament, mit dem Gott durch das äußere Ding an uns handelt und uns nahe kommt, ist Gericht über unser glaubensloses Wesen, unser veräußerlichtes und in schlechter Verinnerlichung verarmtes Leben. Gott zeigt im Sakrament an, daß er, der alles erschaffen hat, auch die dingliche, sichtbare Welt, alles einst wieder erneuern wird; daß das Ende seiner Wege neue Leiblichkeit und eine neue Welt ist. So ist die Taufe zugleich ein Wort der Hoffnung über unserer Todeswelt. Am Sakrament wird uns deutlich, wie wenig wir das Wesen der Kirche verstehen, wie arm wir in diesem Punkt geworden sind; denn das sakramentale Handeln gehört notwendig zu ihrem Wesen. Durch die Taufe werden wir in einen Stand hineingeboren, den Stand der Kinder Gottes. Wir haben nun unmittelbaren Zugang zu ihm auf Grund des allgemeinen Priestertums. „Was aus der Taufe gekrochen ist, das ist schon Priester und Bischof geweiht.” (Luther). Da ich getauft bin, stehe ich im neuen Bund, in dem neuen Verhältnis Gottes zur Welt, das seinen Grund hat in Christus. Gegen alle Unsicherheit und Anfechtung und gegen alle unsere glaubenslosen Gedanken ist die Taufe ein kräftiges Zeichen. Unsere reformatorischen Theologen haben immer wieder betont, daß man sich täglich daran halten und sich täglich aufs neue hineinstellen oder vielmehr hineinstellen lassen soll in die Gnade der Taufe, in den neuen Stand. Dieser Stand ist wie alle geistliche Wirklichkeit keine statistische Zuständigkeit. Ich muß diese Wirklichkeit täglich neu bejahen in Buße und Glauben, in der Verneinung meines alten Wesens und im Ja-sagen zu dem, was Gott an mir tut. Am Eingang der Kirche steht das Zeichen der Taufe; es wird an mir gehandelt. Unsere Zugehörigkeit zur Kirche hängt nicht von unserer Willkür, von der Zufälligkeit unserer Entscheidung ab, sondern wir werden in sie eingegliedert, werden hinzugetan, wie man in der Urgemeinde sagte. Nicht wir bauen die Kirche, sondern Gott, der Herr der Kirche, „ruft” und gliedert in sie ein. Die Zugehörigkeit hängt an diesem Ruf, an seinem Willen, der unser Leben umspannt und trägt. Wenn wir wieder zur Kirche hinfinden, wenn uns Menschen einer falschen Geistigkeit ihre Wirklichkeit wieder aufgeht, dann muß uns auch die Taufe in ihrer Lebensbedeutung wieder klar werden. Gott ist größer als unser Herz. Er ist in seinem Handeln anders, als wir es uns ausdenken, in allem unendlich viel größer als wir. Wenn wir ihn halten sollten mit unseren schwachen Organen, wir würden ihm gewißlich entgleiten. Er aber hält uns, ruft uns und zieht uns zu sich. Dies sagt uns die Taufe. Das Gottesjahr 1935, S. 56-58 © Bärenreiter-Verlag Kassel (1935) |
© Joachim Januschek Letzte Änderung: 13-05-07 |