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von Esther von Kirchbach |
Im Himmel ist immer Sonntag. Den ein solcher Gedanke erschreckt, dem steht die schönste Erfahrung des Sonntags erst noch bevor. Denn was könnte es geben, wenn wir kurzsichtigen Menschen uns schon die ewige Seligkeit vorzustellen vermöchten, was uns näher an sie heranbrächte als der Wunsch anzubeten, eine Ewigkeit feiern zu dürfen in der Gemeinschaft der Christen und mit dem Chor der Engel in der Gegenwart Gottes. Darum sind alle Klagen über mangelnde Sonntagsfeier Gedanken, die in nichts zerfliegen werden, wenn wir Ihn sehen werden wie Er ist. Sie werden aber auch auf der Erde schon geringer, wenn man dem Sonntag Raum gibt, sich selbst zu entfalten. Er feiert sich selbst. Nie läßt sich das besser verstehen, als in den schönsten Sonntagen des Kirchenjahres, den Sonntagen zwischen Auferstehung und Himmelfahrt. Daß jeder Sonntag ein kleines Ostern ist, jeder Sonntag seinen Klang aus dem Jubel der Osternacht nimmt, das muß an den Tagen hell werden, die die ersten Christen mit der ganzen Inbrunst ihrer Freude zu feiern vermochten, so sehr, daß der Abglanz solcher Feier auch in uns diese Freude noch weckt. Es ist auch recht, daß diese Sonntage herausgehoben sind, daß sie Jubilate und Kantate heißen, von der Barmherzigkeit des Herrn verkündigen und uns als Neugeborene wieder anfangen lassen. Aber das, was sie lehren, soll ja weitergegeben werden an alle Sonntage des Jahres, weiter sogar an die Sonntage in der Fastenzeit. Auch die Sonntagsevangelien in der Passionszeit berichten nicht von der Passionsgeschichte, sondern vom sieghaften Kampf des Herrn. Jeder Sonntag trägt einen Teil des Osterjubels in sich, denn jeder Sonntag darf die Begegnung bringen, von der der Alltag zehrt: die Begegnung mit dem erhöhten Herrn. Wie ähnlich ist der Gang an den Altar dem Weg der Maria Magdalena am Ostermorgen. Der Blick vielleicht verstellt noch durch die Eile, von zuhause wegzukommen, durch die Gedanken, die abirren und dort kleben bleiben, von wo wir sie weghaben möchten, verstellt durch den Kummer über die leere Kirche, durch irgendeine Unvollkommenheit in der liturgischen Handlung, verstellt durch die ausbrechenden Fragen, durch die Müdigkeit und Taubheit des Gefühls. Und dann die Stimme, der Anruf im oft gehörten Wort, das heute den eigenen Namen nennt, im Geruch von Brot und Wein, in der Erinnerung an glückselige Begegnungen früherer Jahre - und die Antwort des Herzens: „Meister!”. Und wieder wie immer wird das Herz ungenügsam, wenn die Sehnsucht gestiegen ist, fassen möchte man es, halten, ganz fest und sicher dem Zweifel entgegenhalten können, was das Herz geschaut, triumphierend in den Alltag hineinrufen: „Hier ist mein Sonntag, so sieht er aus!” Aber „Rühre mich nicht an!” kommt die Antwort, näherziehend und leise abwehrend zugleich. Was du siehst, was du fühlst, was du glaubst, ist eben nicht da, um es in den Raum hineinhalten zu können. Es ist der Andere, dem du begegnest, der Andere, über den du nicht verfügen kannst, der aber auf dich wartet hier an dieser Wegstelle, immer wieder wartet, auch wenn seine Gestalt vor deinen Blicken verschwindet. Aber wird nicht die Feier des Heiligen Abendmahls, aus der Besonderheit einzelner Höhepunkte in den täglichen Sonntag gerückt, eben von der Freude und der Festlichkeit einer solchen Begegnung verlieren; Es gibt ja auch einen „alltäglichen” Sonntag, einen, der nichts besonderes an sich hat wie die hohen Festtage und nicht durch irgendeine Extrafeier auf ein besonderes Postament gestellt wird. Wird nicht der alltägliche Sonntag die allsonntägliche Feier des heiligen Mahles in die Gewöhnung hinunterziehen, in das Tal, aus dem wir nun doch so gern einmal heraussteigen möchten? So wird nur in der Theorie gefragt. Da wo die sonntägliche Feier des Sakraments geübt wird, hat diese Frage aufgehört. Die ersten Christen, für die ein Gottesdienst ohne Eucharistie undenkbar gewesen wäre, haben nicht so gefragt. Wer die Sonntage, die „gewohnlichen Sonntage”, in dieser Feier begeht, der weiß, es gibt eben keinen alltäglichen Sonntag, so wie es nicht zwei Sonntage gibt, die miteinander verwechselt werden könnten. In der Feier des Altarfakraments hat jeder Sonntag sein eigenes feierliches Gesicht, jede Begegnung ist anders, neu und doch vertraut. Das ist nicht verwunderlich, wenn schon das Treffen mit Menschen sich niemals gleich bleibt, wie sollte diese Begegnung aller Begegnungen nicht unerschöpflich sein in ihren Möglichkeiten, nicht immer voll von neuen Überraschungen? „O du unergründ'ter Brunnen!” Aber die Feier der Eucharistie ist ja nicht allein die eigene Begegnung mit dem erhöhten Herrn, sie schlägt die Brücke zwischen der Erde, in der ein Tag unter sieben der Tag des Herrn ist, und dem Ort, wo immer Sonntag ist, wo unaufhörlich das gefeiert wird, was wir auf der Erde stückweise anbeten. Die Präfationen „Wahrhaft würdig und recht, billig und heilsam ist's”, so gesungen, seitdem sich Christengemeinden gebildet haben, schlingen das Band zwischen Engeln und Menschen, zwischen den Christen, die die Tür des Todes hinter sich, und denen, die sie vor sich haben. Alle Klagen über leere Gottesdienste, schlechte Predigten, erbärmlichen Gesang, verstummen in dem Augenblick, wo man den Anschluß gewinnen kann an diesen himmlischen Gottesdienst, den wir mitfeiern dürfen. Es ist unerheblich, wie viele neben mir auf der Kommunionbank knieen, wenn ich weiß, daß alle Engel im Himmel das „Heilig” mit angestimmt haben und das neue Fleischwerden des Herrn im Herzen des Menschen feiern. Schwer ist es nur, wenn man in Gegenden lebt, in denen die sonntägliche Feier des Heiligen Mahles unmöglich ist. Wir sind mit dem Wort „unmöglich” allerdings sehr schnell bei der Hand, wenn die Sehnsucht übermächtig wird, dann wird sie einen Weg finden; wenn der Wunsch in einer Gemeinde so lebendig unüberhörbar wird, dann wird er sich durchsetzen. Da, wo eine solche Sehnsucht aufsteigt, ist in ihr schon die Verheißung enthalten, dann wird ihr schon die Antwort des Engels am Ostermorgen. Es wird nicht lange dauern, bis der Herr auf die Frage: „Hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast, so will ich ihn holen?” mit dem Anruf des eigenen Namens antwortet. In dem Osterbild von Fra Angelico kniet Maria Magdalena schwer auf der Erbe, vor ihr der lichte Herr, dessen Füße nicht einmal das Frühlingsgras niederdrücken, während ihre Knie die Erde spüren. Und er neigt sich zu ihr, abwehrend zugleich und doch ziehend, während ihre Hände sich nach ihm strecken, ohne ihn betasten zu können. S o sieht der Sonntag aus, der mit der Feier des heiligen Mahles gefeiert wird! Wir spüren auch dann die Erbe unter dem Knie, Christus läßt sich auch dann nicht als himmlischer Dauergeist mitten in unsre Sonntagsnöte nieder, aber die Begegnung ist genug für unsere ausgestreckten Arme und für unser sehnsüchtiges Herz, um zu wissen, daß Er den Glanz Seiner Gegenwart auch auf die Sonntagsruhe und -unruhe dieser Erbe ausschütten kann. Das Gottesjahr 1942, S. 87-90 © Johannes Stauda-Verlag zu Kassel (1951) |
© Joachim Januschek Letzte Änderung: 12-12-07 |