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Hölle

Die Christenheit gebraucht heute dieses Wort in zweierlei Bedeutung. Das Wort hängt in unserer Sprache zusammen mit hohl, hehlen, wohl auch der „Frau Holle” im Märchen und bezeichnet das untergründige Reich der Toten, die für unseren Blick und unsere Stimme und ebenso für unser Wirken unerreichbar, doch in einer geheimnisvollen Weise gegenwärtig sind, mit unserm Leben verflochten und auf uns wirkend. Die Vorstellungsformen für diesen Ort der Toten wechseln mit dem Gesamtbild von Mensch und Welt; die Alten dachten an eine Art „Unterwelt” (Hades), in der die Verstorbenen ein schattenhaftes Dasein führen; heute sind manche überzeugt, daß die unbewußte Tiefe unserer eigenen Seele von der „kollektiven Erfahrung” der vergangenen Menschengeschlechter erfüllt und geprägt wird. In diese „Hölle” ist Christus nach dem Bekenntnis der Kirche (descendit ab inferos) hinabgestiegen (so zuerst 1. Petr. 3, 19); das heißt, die Christenheit glaubt daran, daß die Erscheinung Christi auch die Vergangenheit erlöst und auch jene unheimlichen Tiefen- und Todesmächte in unserer Seele mit seinem Sieg und seiner Wandlungsmacht durchdringt.

Viel vertrauter ist es uns heute, mit dem Wort „Hölle” den Zustand des endgültig verlorenen und verdammten Menschen zu bezeichnen. Es ist die grauenhafte Lage des Menschen, der eben das als die triumphierende Wahrheit erkennen muß, wogegen er gestritten hat, und der sich von dem Heil, das er ersehnt, endgültig und unwiderruflich selbst geschieden hat. Die Bilderspräche der Bibel redet von dieser Hölle als von einem Ort der Qual, in, dem Bild eines nicht zu löschenden Feuers oder eines nicht umzubringenden giftigen Tieres; die Phantasie späterer Zeiten, die von der „Höllenangst” zutiefst beunruhigt war, hat die nüchterne Sparsamkeit solcher biblischer Andeutungen verlassen und war in der Ausmalung der Höllenqualen noch erfinderischer als in der Schilderung himmlischer Seligkeit. Ernste Christen waren freilich immer wieder bewegt von der Frage, ob die Barmherzigkeit Gottes nicht auch über dieser Verdammnis eine Hoffnung läßt; die Frage ist nicht abzuweisen, zu einer Antwort sind wir indes nicht befugt.

Das Gottesjahr 1941, S. 59
© Johannes Stauda-Verlag Kassel

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-02-01
 

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