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von Hans Faißt |
Die seltsame und eigenwillige Gestalt des Propheten Jona ist ein hervorragendes Beispiel für Sinn und Ziel geistlicher Übung. Da ist ein Mensch, der durchdrungen ist von der Größe und Herrlichkeit Gottes; sie ist ihm in besonderer Weise offenbar, denn Gott würdigt ihn, Sein Bote zu sein und in Seinem Namen einer großen Stadt das Gericht zu verkündigen; er gibt seiner Gottverbundenheit selber Ausdruck, indem er bekennt: Ich fürchte den Herrn, den Gott des Himmels, welcher gemacht hat das Meer und das Trockene (1, 9) - aber all das hindert ihn nicht, seinem Gott den schuldigen Gehorsam aufzusagen, Seinem klaren Befehl bewußt zuwiderzuhandeln und sich auf die Flucht vor Ihm zu begeben. Wäre Gott nicht der, als welchen der 103. Psalm Ihn preist, nämlich barmherzig und gnädig, geduldig und von großer Güte, so ließe Er den Propheten laufen und erwählte Sich ein anderes willigeres Werkzeug; aber Er geht dem Propheten nach, nimmt ihn in Seine heilsame Zucht und zwingt ihn zur Umkehr und Heimkehr zu Gott. Wodurch erreicht Er Sein Ziel? Auf wahrhaft göttliche Weise: indem Er den Propheten schlägt, um ihn zu verbinden; indem Er ihn in die Tiefe führt, um ihn zu erhöhen; indem Er ihn sein Leben verlieren läßt, um es gewinnen zu können. Er wirft ihn in das Meer der Trübsal; Er läßt ihn erfahren viel und große Angst, läßt ihn durchkosten, was es heißt, sich von Gott verstoßen zu wähnen; Er gibt ihn preis „dem Bauche der Hölle”. Das Bewußtsein der Gottverlassenheit, gesteigert durch das Wissen um die eigene Schuld, die dazu geführt hat, ist die Hölle auf Erden, aus der es keinen Ausweg gibt; Jona sagt das mit den Worten: Ich sank hinunter zu der Berge Gründen; die Erde hatte mich verriegelt ewiglich (2, 7); er kam sich vor wie ein Gestorbener, der in der Grube liegt, aus der es keine Rettung geben kann. Dies aber ist das Gewaltige, daß es dennoch eine Rettung gibt; daß Gott die Nebel, die uns undurchdringlich umhüllen, zerteilen kann in einem Augenblick; daß Er uns am nächsten ist, wenn Er uns am fernsten ist! In Jona war die Fähigkeit zu beten erstorben seit seiner Ungehorsamstat, seitdem er sich auf der Flucht vor Gott befand; die Schiffer fordern ihn auf dazu in der Not des Sturms (1, 6), aber wir hören nicht, daß er ihnen willfahrte. Er konnte es nicht - denn er war aus der Gemeinschaft mit Gott herausgefallen. Und er war nicht imstande, diese Gemeinschaft wiederherzustellen, sondern eben darum der Verzweiflung und dem Tode preisgegeben. Er hat erfahren, daß Gott Seine Heiligen wunderbar führt; er wurde von Gott in Zucht genommen und hat sich von Ihm erziehen lassen; er ging den Weg des Todes, der ihm ein Weg zum Leben geworden ist. Die Übung des Gebets, die verlorene und wiedergefundene Fähigkeit, zu Gott zu rufen, hat ihn herausgerissen aus der Tiefe, hat ihn den Frieden mit Gott wiedererlangen lassen und ihn zu einem neuen Menschen gemacht. Hat sie das Wunder der Wandlung wirklich vollbracht? Man sollte es meinen, daß eine Erfahrung wie die von Jona gemachte ihn für immer geheilt hätte - jedoch der Verlauf der Erzählung belehrt uns eines Anderen. Es ist das wie ein Hinweis darauf, daß es nicht genügt, sich einmal in besonderer Not auf Gott zu besinnen, sondern daß die geistliche Übung des Gebets uns ununterbrochen not tut! Wohl ist der Prophet nun nicht mehr ungehorsam, als der Befehl zur Predigt des Gerichts abermal an ihn ergeht; jedoch sein Trotz ist nicht gebrochen; er nimmt nur andere Formen an, indem er sich wandelt zum Zorn über die Langmut und Geduld Gottes und zum Ärger über die Ungültigkeit seines prophetischen Wortes! Gott aber läßt den Propheten in wahrhaft göttlicher Ironie am eigenen Leibe erfahren, wie sehr er selbst, der überhebliche Mensch, auf Gottes tragende Geduld angewiesen ist; abermals nimmt Er ihn in Zucht und wählt als Mittel zum Zweck einen „Kürbis” (wörtlich: eine Rizinusstaude), der rasch emporwächst zur Freude des Propheten und ebenso rasch verdorrt zu seinem kindlichen Ärger! Dies natürliche Geschehen muß dem Propheten zu einer heilsamen Besinnung und Betrachtung dienen, deren Ziel durch die Vermahnung Gottes gekennzeichnet wird: Dich jammert des Kürbisses, daran Du nicht gearbeitet hast, hast ihn auch nicht aufgezogen, welcher in einer Nacht ward und in einer Nacht verdarb; und Mich sollte nicht jammern Ninives, solcher großen Stadt, in welcher sind mehr denn hundert und zwanzigtausend Menschen, die nicht wissen Unterschied, was recht oder link ist, dazu auch viel Tiere? (4, 10. 11). Was an der Pflanze geschieht mit seiner Wirkung auf das Gemüt des Propheten wird ihm zum Gleichnis für die Notwendigkeit und Herrlichkeit des weltweiten Erbarmens Gottes; wir aber sehen, wie die sinnende Betrachtung des natürlichen Geschehens durch Gottes Gnade zu einer geistlichen Übung werden kann, die uns verborgene Geheimnisse erschließt und uns ein wenig eindringen läßt in die Tiefen der Gottheit. Das Gottesjahr 1938, S. 71-73 © Johannes Stauda-Verlag Kassel 1938 |
© Joachim Januschek Letzte Änderung: 13-02-24 |