Wer diese Überschrift liest, wird vielleicht meinen, in den folgenden Ausführungen etwas zu finden, woraus er sich eine Methode schaffen könnte, wie er mit dem bösen Geist kämpfen müsse, damit er ihn ganz sicher besiege. Dieser Wunsch ist nur zu begreiflich. Denn wer ehrlich auf dem Weg des Lebens vorwärts gehen will und dabei erfährt, wie sehr nun erst recht die Versuchungen über ihn kommen, wie er dem Geist des Bösen und dem bösen Geist offen und getarnt bei jedem Schritt begegnet - der wünscht sich oft, er könnte ihn so siegreich bekämpfen, daß er endgültig Ruhe vor ihm habe.
Solch ein Wunsch ist töricht. Ja, er ist sogar gefährlich. Denn er gaukelt uns ein Bild einer Ruhe und Sicherheit vor, dem wir gar zu leicht erliegen. Und damit sind wir wiederum dem bösen Geist zum Opfer gefallen. Unsere Aufgabe bleibt der Kampf mit dem bösen Geist. Nur handelt es sich allerdings darum, einen Weg zu finden, wie wir ihn bestehen lernen.
Ist es eigentlich ein Kampf im gewöhnlichen Sinn des Wortes? Also ein Ringen um den Sieg des Stärkeren? Darum kann es sich nicht handeln, denn wir wissen doch, daß „groß Macht und viel List sein grausam Rüstung ist”; „wir sind gar bald verloren”! Nein, dieser Kampf, von dem hier die Rede ist, ist auch ein Teil der geistlichen Übung, die uns tagtäglich auferlegt ist. Er ist eine Erfahrung, die wir immer wieder machen müssen, bis wir vor den Überraschungen des Feindes sicherer sind, und „durch Gewohnheit geübte Sinne” bekommen haben, um zu wissen, wie wir ihm begegnen müssen (Hebräer 5, 14).
Im Mauritshuis in den Haag hängt ein seltsames Gemälde Rembrandts. Es stellt dar den Kampf mit dem bösen Geist: wie der junge David vor dem König Saul die Harfe spielt. Saul weiß, daß er ein von Gott verworfener König ist (1. Samuelbuch 15, 23 und 28). Noch sitzt er da in aller Herrlichkeit seines Königtums, angetan mit leuchtenden Gewändern und geschmückt mit einem Turban und einer goldenen Krone. Aber sein eingefallenes Gesicht und sein starres Auge, sein böse verzogener Mund passen schlecht zu dieser äußeren Pracht. Er sitzt da, groß und gewaltig; man möchte meinen, er sei die Hauptperson auf dem Bild - und doch sucht er sich zu verstecken in einer Höhle. Ein schweres, dunkles Tuch, wohl den Zeltvorhang, hat er herangezogen und bedeckt damit ein Auge, die Hälfte seines Gesichts und seiner Gestalt. Und diese Rundung des Vorhanges, an dem er sich wie an eine Parabel anschmiegt, scheint ihn in der dunklen Höhle sitzen zu lassen, aus der er sich nicht befreien kann. Saul, besessen vom bösen Geist!
Rechts vor ihm, niedriger und viel kleiner, ohne irgend eine Verbindung und Beziehung zu ihm, steht David und spielt auf der Harfe. „Wenn nun der böse Geist über Saul kam, so nahm David die Harfe und spielte mit seiner Hand, so erquickte sich Saul, und es ward besser mit ihm, und der böse Geist wich von ihm” (1. Samuelbuch 16, 23). Trotz seiner Kleinheit und Bescheidenheit, trotz des seltsam leeren Raumes, in dem der Jüngling sich befindet, ist seine Gestalt die Hauptperson im Bild des niederländischen Meisters. Seine Hände rühren die Saiten der Harfe, sein Gesicht ist geneigt und sinnt den Tönen nach. Er ist nicht da und ist doch da - er ist sogar der Mächtigere von beiden.
Seltsam: David steht da vor dem König Saul als ein Kämpfer, der mit dem bösen Geist kämpft. Aber er steht nicht da in der Haltung des selbstbewußten Kriegers, noch viel weniger in der eines machtvollen Beschwörers oder Zauberers. Er blickt den König nicht einmal an. Er will keinen Eindruck machen. Auch nicht mit seiner Gabe, den bösen Geist bezwingen zu können. Er singt vor sich hin. Er ist ganz, mit Leib und Seele, dem Lied hingegeben. Und gerade das macht ihn zum Sieger über den bösen Geist.
Das ist das Geheimnis des Sieges im Kampf mit dem bösen Geist: Wir dürfen ihn nicht beachten. Wir dürfen keinen Eindruck auf ihn machen wollen. Darum brauchen wir ihn auch garnicht genau zu kennen. Es ist wirklich nicht nötig, daß wir über alle seine Schliche und Methoden im Bilde sind. Wir gebrauchen keine ausführliche Kasuistik, um uns zu beruhigen, indem wir uns sagen könnten: so weit kannst du getrost gehen, von da ab jedoch wird's gefährlich! Nein. Jesus sagt seinen Jüngern: „Diese Art fährt nicht aus denn durch Beten und Fasten” (Matthäus 17, 21). Ja, nur indem man sich den Mächten öffnet, die von Gott stammen, und bewußt sich übt, den teuflischen Mächten den Eingang zu versperren, vertreibt man den bösen Geist.
Solcher Widerstand des gesammelten Tuns im Singen und Spielen bricht aktiv vor. Auf dem Bilde sieht man gleichsam diese Widerstandskraft, wie sie um David den sicheren Raum schafft, und wie dieser Raum vordringt in jene Höhle, dahinein der König sich verbirgt. Dieser Raum bedrängt den sich versteckenden, unehrlichen König. Darum hatte ja der böse Geist Macht gewinnen können über Saul, weil Saul in der Unehrlichkeit sich versteckte und verstockte. Sein Königtum war ihm genommen worden, aber er wollte dieses Handeln Gottes nicht anerkennen! Dadurch hatte der böse Geist Macht über ihn. Und all seine eigenen Versuche zu widerstehen können ihm nicht gelingen, weil es hieße, den Teufel durch Beezebul austreiben zu wollen.
An diesem Bilde mag es uns aufgehen, was es heißt: mit dem bösen Geist zu kämpfen. Es ist in Wirklichkeit nur ein Widerstehen mit gesammelter Kraft Leibes und der Seele, woran der andere sich totläuft.
Darum wird David in der alten Tradition der Sänger der Psalmen genannt, weil alle diese Lieder und Gebete aus derselben Haltung stammen, wie wir sie eben betrachteten, jener Haltung, die im Kampf mit dem bösen Geist zum Sieger macht. Wer in diesen Liedern und Gebeten lebt, wer sie immer wieder spricht, vor allem in der Stunde des Kampfes mit dem Versucher, der öffnet sich dadurch den göttlichen Mächten, die ihn nun in Wirklichkeit erst stärken und befähigen zum Widerstand, der nicht aus der eigenen Stärke stammt.
dreierlei ist uns bei der Betrachtung dieses Bildes aufgegangen, was uns weist, in welcher Richtung wir schreiten müssen, um den Kampf mit dem bösen Geist zu bestehen. Das erste ist: S c h a u n i c h t h i n ! Das Böse wird in der Bibel veranschaulicht als Schlange. Die Schlange schaut ihr Opfer unbeweglich an und zwingt es, seinen Blick nicht von ihr wegzuwenden. Dadurch macht sie es wehrlos und kann sich seiner bemächtigen. Wir alle erfahren es unzählige Male, daß wir immer wieder das Böse anschauen, oft gegen unsern besseren Willen, bis es uns ganz in der Gewalt hat („Und das Weib schaute an, daß von dem Baum gut zu essen wäre und daß er lieblich anzusehen und ein lustiger Baum wäre” 1. Buch Mose 3, 6). Wir können uns nicht losreißen und finden tausend Entschuldigungen; je länger wir hinstarren, um so mehr werden unsere Augen geblendet und der böse Geist verwandelt sich vor uns in einen Engel des Lichts. Alle Vernunft, alle Kritik, alle Einsicht verschwindet, wir sind gebannt und verfallen ihm unrettbar. Darum: Schau nicht hin!
Das Zweite; B l i c k e n i c h t z u r ü c k ! Wenn du es vermochtest, den Sieg zu erringen über böse Gedanken, Worte oder Werke, so hüte dich, daß deine Gedanken nicht wieder zurückschweifen! Es ist gefährlich, seinen solchen Sieg feiern zu wollen. In demselben Augenblick, da man stolz und befriedigt sich noch einmal die ganze Schwere des Kampfes und die Größe des Sieges vergegenwärtigt, hat man den bösen Geist herbeigerufen und ihm aufs Neue Macht über sich gegeben. Es geht einem dann wie Lots Weib: sie war dem Bösen in der verruchten Stadt entronnen und ging der Rettung entgegen. Aber ihre Gedanken hafteten in der Stadt des Bösen, nur einmal noch will sie einen Blick zurückwerfen. Und da erstarrt sie. Die Gewalt des Bösen reicht weiter, als wir ahnen!
Und das Dritte: Ö f f n e d i c h b e w u ß t u n d w i l l e n t l i c h d e m G u t e n ! Es ist kein „Zufall”, daß David dem bösen Geist entgegentreten konnte durch sein Lied und Saitenspiel. Nicht das Hören der Musik an sich vermittelt solche Kraft. Sonst müßte unsere Zeit, in der durch die Vermittlung des Rundfunks so viel Musik gehört wird wie noch nie zuvor, eine Zeit machtvollsten Sieges über den bösen Geist sein! Mit dem Hörten, erst recht mit dem wahllosen Hören ist es nicht getan. Nur dann kannst du dich bewußt und willentlich der Macht der Musik öffnen, wenn du selbst Musik wirst, das heißt, wenn du sie ganz hingegeben ausübst. Es muß nicht künstlerisch vollendet sein, wie du musizierst. Aber du mußt es schon selbst tun.
Denn die Musik nimmt einen völlig in ihren Bann, sie nimmt alle Kräfte des Leibes und der Seele in ihre Zucht. Es läßt sich nicht mit verstandesmäßigen Mitteln erklären, woher diese ihre Macht stammt. Aber sie ist da. Und sie kommt uns Menschen zu Hilfe. Wenn du deine Gedanken nicht zur Ruhe bringen kannst, wenn Unmut und Gram dich lähmt, wenn Bitterkeit und Ekel dich mit ohnmächtigem Zorn erfüllt, wenn Angst und Zweifel dich quält; dann singe ein Lied, das die Kirche dir darbietet aus ihrem reichen Schatz. Sing es vor dich hin, ohne andere damit zu stören, ohne es sie überhaupt merken zu lassen. Öffne dich der geheimnisvollen Macht der Töne - und du wirst verspüren, wie es klärend und reinigend durch dich hindurch geht, und der Einfluß des Bösen gebannt wird.
Wie vor dem wahllosen Hören muß aber auch vor dem wahllosen Singen und Spielen gewarnt werden. Die Musik ist nicht an sich gut. Auch in ihr kann die Macht des bösen Geistes offenbar werden. Wie manchesmal werden wir verfolgt von einer schmeichelnden und gefährlichen Weise mit ihren verwirrenden Worten, und können sie nicht los werden. Ja, gerade solche Musik haftet außerordentlich schnell und zäh, und kann unser Wesen vergiften, wenn wir uns nicht bewußt und willentlich davon trennen. Da hilft nur ein Wegsehen und Weghören, und das Sichsammeln auf eine Melodie, in der Heiliger Geist redet. Wer sich in eine solche Weise ganz hineinhört, sie auf seinen Wegen und bei seiner Arbeit immer wieder übt und singt, der erfährt die reinigende und helfende Macht, die Gott der Musik gegeben hat, um uns zum Kampf mit dem bösen Geist zu befähigen.
„Laß dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem” (Römer 12, 17): das ist der Weg, den Christus den Seinen in der Bergpredigt weist. Es kommt immer und in jedem Augenblick darauf an, daß wir an die Stelle des Bösen etwas Gutes setzen. Wir sind gar nicht dazu berufen, das Böse bei uns oder anderen auszurotten. Zu unserm Wege gehört es, daß wir uns üben im Abwenden vom Bösen, um das Gute dagegen zu tun: „Ihr dagegen fluchet nicht, sondern segnet!” Um aber das wirklich tun zu können, müssen wir uns darin üben und dürfen solche Übung nicht verachten. Der Apostel mahnt uns, wir sollten unsere Sinneswerkzeuge üben, um durch solche uns gewohnte Übung eine Fertigkeit darin zu erlangen, Gutes und Böses zu unterscheiden (Hebräer 5, 14).
Mit einem Bilde wollen wir es uns vergegenwärtigen, und unsere Aufgabe in dieser Sache daran ausrichten: die geistliche Übung als Kampf gegen den bösen Geist besteht darin, daß wir jenen Vers zur Wirklichkeit werden lassen:
„Eine Mauer um uns bau,
daß dem Feinde davor grau!”
Das ist die Linie unseres Kampfes, in der unser Widerstand sich vollzieht. „Widerstehet dem Teufel, so fliehet er von euch!”
Das Gottesjahr 1938, S. 63-67
© Johannes Stauda-Verlag Kassel
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