|
von Jörg Erb |
Groß, mächtig und stark ist dies Wort, voll Leben und Kraft. Einem Schlüssel gleich schließt es die Kammern des Geistes auf, drin die Fülle der Bilder leuchtet. Gegenwart und Vergangenheit sind in ihm lebendig, und der Zukunft, die wir hineinlegen, gilt unser heißes Wünschen und unsere Arbeit. Aufgabe und Vollendung zugleich schauen wir in dem Wort, Erfüllung und einen weiten. weiten Weg zum Ziel. Kraft und Macht wirkt in dem Wort; alle Liebe und Hingabe weckt es im Herzen, wenn es vor unsere Seele stellt, was in uns allen lebt: unser deutsches Volk. Da braucht es keiner Begriffsbestimmung mehr, was denn ein Volk und das unsere im besonderen sei, denn wir tragen alle sein herrliches Bild im Herzen, und kein Mißbrauch des Wortes vermag dies Bild auszulöschen. Die Völker sind Gottes Schöpfung und gehören zur Welt. Wie sich die Blumen auf dem Felde von einander abheben, so unterscheiden sich auch die Völker durch Blut, Geist und Wesen. Wir gehorchen Gott, wenn wir uns zu unserm Volk halten, zu erkennen suchen, was ihm eigen ist und bestrebt sind, die Grundkräfte, die ein Volk auferbauen, rein zu erhalten. Solches lehrt uns die Bibel auf ihren ersten Blättern (Siehe Esra 10.) Wenn wir aber den Weg des Volkes des alten Bundes in der Bibel überschauen, so drängt sich eine Erkenntnis vor andern auf: Der Weg des Volkes ist ein Ringen mit Gott und um Gott. Gott und Volk, die beiden gehören zusammen. Gott spricht ein Volk an und will es zu seinem Eigentum. Sein Wort, Ruf und Gesetz gilt einem ganzen Volk. Mit dem Volk schließt er seinen Bund; das Volk soll diesem Bund halten. Wo Gottes Ruf Einzelmenschen trifft, da ruft er sie als Glieder des Volkes und beruft sie zur Sendung in ihr Volk, damit sie durch die Öde der Gottlosigkeit den Ruf erschallen lassen: Land, Land, Land, höre des Herrn Wort! Das Ringen mit Gott, Abfall und wiederum Hinwendung zu Ihm, das macht die Geschichte des Volkes aus. „Werdet ihr meiner Stimme gehorchen und meinen Bund halten, so sollt ihr mein Eigentum sein vor allen Völkern, denn die ganze Erde ist mein. Und ihr sollt mir ein priesterlich Königreich und ein heiliges Volk sein” (2. Mose 19). Das ist der große Auftrag an das Volk und das Ziel seiner Geschichte. Auf diesem Weg soll sich ein Volk vollenden. „Wohl dem Volk, dess Gott der Herr ist!” (Ps. 33.) Gott ist der Herr der Völker. Er hat seine Macht bewiesen unter den Völkern (Ps. 77). Es kommt darauf an, daß die Völker Gott als ihren Herrn erkennen, ihm die Ehre geben, ihn fürchten und anbeten (Ps. 96). Die Völker sind der Welt zugeordnet und in ihr Schicksal hineingegeben. Das will uns heute sauer eingehen; aber nichts auf Erden hat Ewigkeit und Unsterblichkeit, auch die Völker nicht. „Alles Fleisch ist Gras und alle seine Güte wie eine Blume auf dem Felde. Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, denn des Herrn Geist bläst darein. Ja, das Volk ist das Gras” (Jes. 40). Da falten wir die Hände und beten: Herr Gott, erbarm dich unseres Volkes. Halte es auf Deinen Wegen. Laß es zu dem Ziel gelangen, das Du ihm vorgestellt hast. Laß uns nicht schuldig werden an ihm. Der Heiland hat seine Sendung in seinem Volk erfüllt. Ihm wußte er sich zugeordnet, ihm hat er seine Liebe zugewandt. Aber er ist einsam und verlassen geblieben in seinem Volk. Verständnislosigkeit und Feindschaft sind ihm entgegengetreten, als Volksfeind ist er verurteilt worden, und den schimpflichsten Tod hat er erlitten. Seinen Jüngern hat er zuvor nicht große Erfolge verheißen. Er bereitet sie auf das Leiden vor. Nicht die Liebe des Volkes wird ihnen entgegenschlagen, sondern „in der Welt habt ihr Angst”. Das Zeugnis des Glaubens ist nicht volkstümlich, es ist der Welt ein Ärgernis. Solches lehrt uns eindringlich das Schicksal der Propheten des alten Bundes. Einsam, gemieden und gehaßt stehen sie inmitten des Volkes, dem ihre heiße Liebe gehört, und das doch lebt von dem Opfer seiner Gottesmänner. Das soll uns zur Geduld und zum Aushalten ermahnen in dem Kampf, in den wir gestellt sind, wenn wir unser Volk mit heißer Liebe umfassen und uns zugleich von Gott rufen lassen zum heiligen Volk Gottes. Gott ruft sich sein heilig Volk aus allen Völkern. Da das Volk des alten Bundes den Heiland verstößt,. vollzieht sich das Gericht. Das Reich Gottes wird ihm genommen. Das Evangelium muß allen Völkern verkündet werden. Der auffahrende Herr gibt den Befehl, alle Völker zu lehren und zu taufen. Nicht die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Volk macht den Menschen vor Gott gerecht, „sondern in allerlei Volk, wen Ihn fürchtet und recht tut, der ist Ihm angenehm” (Apg. 10, 35). An Pfingsten aber hören die Völker, ein jeder in seiner Sprache, die Taten Gottes, und allen, die sich vor Ihm in der Taufe beugen, denen ist die Gabe des Heiligen Geistes verheißen. Vor dem Thron der himmlischen Herrlichkeit aber steht eine große Schar, die niemand zählen kann, aus allen Heiden und Völkern und Sprachen, die rufen immerdar: Heil sei unserm Gott (Offb. 7, 9). Sie sind durch Christi Blut erkauft aus allerlei Geschlecht und Zunge und Volk und Heiden (Offb. 5, 9). Einmal aber wird die ganze Welt Gott zufallen und Ihm dienen, da ist dann alle Spannung gewichen. „Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen sein, und sie werden Sein Volk sein” (Offb. 21, 3). Da ist aber das Erste schon vergangen. Das Gottesjahr 1937, S. 108-110 © Bärenreiter-Verlag zu Kassel |
© Joachim Januschek Letzte Änderung: 12-10-15 |