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Die Ehe
von Esther von Kirchbach

LeerGott über alle Dinge zu lieben, das wird in den Jahren, in denen die Liebe zu einem anderen Menschen uns mit aller Gewalt überfällt, bitter schwer. Es scheint, als könne einer nur der Erste sein, der Geliebte, und es ist, als täte man ihm Abbruch, wenn man die Liebe zu ihm unter Gottes Anspruch stellt. Kann denn ein Christ so stark und ausschließlich lieben wie einer, der dieses eifersüchtige Gebot Gottes nicht achtet und kennt?

LeerDaß die irdische Liebe durch den Anspruch Gottes, der Erstling aller Liebe zu sein, nicht kleiner wird, zeigt das Bild der christlichen Ehe, wie es der Epheserbrief darzustellen wagt.

LeerMann und Frau in ihrem Zueinandergeordnetsein spiegeln das Verhältnis von Christus und der Gemeinde wieder. - Dies Wort ist ein Wagnis, das uns den Atem raubt. Nie hätte es einer brauchen dürfen, wenn es nicht nach dem Willen des heiligen Geistes in die Bibel gekommen wäre. - Denn die Unzulänglichkeit menschlicher Beziehungen wird an diesem Unterschied zwischen Verlangen und Wirklichkeit am greifbarsten deutlich. Aber erst muß man es einmal so stehen lassen, wie es dasteht. So also dürfen wir lieben! So das Ganze fordernd wie der Herr, so hingeben, so vertrauend wie seine Gemeinde. Es gibt keinen Hochgesang menschlicher Liebe, der so die Einheit zweier Menschen preisen könnte, wie das Bild der christlichen Ehe, das seine Maße über die Ehe hinaus sucht.

LeerUnd es zeigt zugleich, daß für den, der sich auf Gottes Liebe einläßt, die menschliche Liebe nicht zurückgedrängt wird, sondern in Höhen gehoben, die ihr sonst fremd geblieben wären. Wie genügsam, wie spießbürgerlich ist einer solche Verheißung gegenüber alle menschliche Begründung ehelicher Liebe! Die Wirklichkeit kann diese Höhe nicht anfechten. So wie sich aus vielen irrenden und sündigen Menschen durch die Jahrhunderte seine Gemeinde hebt, und Christus sie sieht als fehlerlose, heilige, ihm zugehörige Gemeinde, so ist auch die christliche Ehe voller Alltagsnot und Alltagssünde, im Blick des Herrn geheiligt als das Abbild dessen, das sie darstellt.

LeerAlles, was sich über sie sagen läßt, wird darum beleuchtet von dem Licht, das von Christus und seinem Leibe her auf sie fällt. Sie ist unauflöslich, bis der Tod sie scheidet. Dieses Abbild von Christus und seinem Leib ist - während sein Urbild in die Ewigkeit reicht - ein Abbild auf der Erde und in der Zeitlichkeit. Darum löst es der Tod. Aber in der Zeit kann es so wenig gesprengt werden, wie Christus von seiner Gemeinde läßt, oder seine Gemeinde ihm untreu werden kann. Jede Scheidung einer christlichen Ehe ist darum eine Wunde an der Gemeinde selbst, ein Riß, an dem alle leiden.

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LeerDer Mann ist des Weibes Haupt. Die Plätze von Mann und Frau in der Ehe sind nicht vertauschbar. Das mag bei Freundschaften sein und all den verschiedenen Verbindungen menschlicher Art. Da kann einmal der Mann, einmal die Frau stärker führen, mehr bestimmen. Hier wird die klügste und stärkste Frau dem großen Abbild, dem ihre Ehe dient, untreu, wenn sie den Mann aus der ihm gewiesenen Stellung verdrängt. Und der Mann darf sich nicht scheuen vor der Verantwortung dieses Platzes, den nicht er sich gesucht hat, sondern der Herr ihm angewiesen hat.

LeerDas ganze Verhältnis der Ehegatten ist in diesen Vergleich einbezogen. Es ist eine sehr nachdenkliche Sache, daß wir im Deutschen das Wort „Liebe” für die geschlechtliche Liebe ebenso gebrauchen wie für die barmherzige Liebe oder die Liebe zu Gott. Sind wir nicht dadurch besonders darauf hingewiesen, daß auch die heimlichste Liebe zwischen Mann und Frau, die Liebe, die beide zu einem Fleisch macht, noch hineingezogen ist in den geheimnisvollen Gleichniszusammenhang christlicher Ehe!

LeerAus diesem Einswerden heraus wächst neues Leben. Die beiden, die ein Fleisch wurden, können in ihren Kindern nicht mehr auseinander gerissen werden. Das ist sichtbar für jeden. Aber wir dürfen weiter sehen. Auch aus der Vereinigung von Christus mit seiner Gemeinde wächst fortlaufend neues Leben, kommen immer mehr Glieder zu dem einen Leib.

LeerIm Sakrament der Taufe vollzieht sich die Verbindung von Urbild und Abbild, von Christus und seiner Gemeinde, mit Mann und Frau. Denn die Kinder aus der christlichen Ehe werden im Wasser der Gnade dem Leib des Herrn zugefügt, und das ist nun wirklich ein Schauspiel, an dem den Engeln und Dämonen die Weisheit des Herrn offenbar wird.

LeerAber auch die zerstörte Ehe zeugt noch in ihrer Sehnsucht von ihrer Bestimmung. Nicht umsonst nennt die Bibel so oft die auf den Herrn wartende Gemeinde die verlassene Braut, die trauernde Witwe. Jede Frau, die eine zerstörte Ehe tapfer zu Ende trägt, jeder Mann, der einer verstandesmäßigen Umwelt gegenüber den Anspruch der christlichen Ehe aufrecht erhält, baut für die Gemeinde die christliche Ehe neu mit auf. Darum ist auch niemals der Sinn der Ehe an ihre Fruchtbarkeit gebunden. Jede erfüllte Lebensordnung wird Zelle für neues Leben in der Kirche. Die Gemeinschaft, zu der zwei Ehegatten berufen werden, ist so groß, daß sie der Bestätigung der Kinder nicht bedarf. Kinder sind die beglückende Folge dieser Gemeinsamkeit, nicht ihre Begründung. Auch das hat seine Parallele im geistigen Leben der Kirche. Der anbetende Gottesdienst der Gemeinde, die Vereinigung mit ihrem erhöhten Herrn im Sakrament ist in sich sinnvoll, ist in sich Beglückung. Aber aus dieser Gemeinschaft und durch diese Vereinigung werden der Kirche Gottes immer neue Glieder gewonnen. Das ist die beglückende Folge, aber nicht Begründung und „Zweck” des Gottesdienstes.

LeerUm die Verheißung und Forderung christlicher Ehe auszuleben, braucht es auch in der glücklichsten Ehe täglich neue Kraft. Und dafür genügt es nicht, wenn beide einzeln sich in täglichem Gebet und sonntäglichem Gottesdienst rüsten. Denn diese beiden einzelnen Menschen sind zusammen etwas Neues und Ganzes. Und darum müssen sie sich gemeinsam von Gott anreden lassen. - Wir sollten uns nicht schämen, immer wieder zu lernen und zu horchen. wie wir einander den einzelnen und einsamen Weg zu Gott nicht verbauen und doch den gemeinsamen Weg immer neu zusammen suchen und finden können.

Das Gottesjahr 1937, S. 46-48
© Bärenreiter-Verlag zu Kassel

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-10-15
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