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von Walter Stökl |
Die Kirche Christi umfaßt alle Bereiche „im Himmel und auf Erden”. Der Auferstandene ist Herr über alle irdische Kreatur wie auch über alle „Herrschaften und Throne, Fürstentümer und Gewalten.” Die Kirche auf Erden, bestehend aus den getauften Gliedern der Kirche während ihres Erdendaseins, steht ständig im Kampf mit dem „Fürsten dieser Welt”, ist bedroht und angefochten von finsteren Gewalten, die sie verderben wollen. Das Reich der Finsternis, der Drache der Welt, will sie verschlingen. Sie erliegt dieser Versuchung, wenn ihr nicht von oben her Hilfe im Kampf zuteil wird. Das geschieht durch das verkündigte Wort, das gespendete Sakrament, das Lebenszeugnis der Bekenner und Märtyrer. Sie helfen ihr „den Satan unter unsere Füße treten”. Aber von oben her erfolgt auch ein unmittelbarer Angriff auf die Finsternis und ihr Heer. Die Engel und aller Himmel Heere kämpfen den Kampf der irdischen Kirche mit. Von oben her wird der Satan überwunden durch den Sieg Christi. Er rüstet die Streiter des Gottesheeres aus, die den Irdischen unsichtbar und verborgen beistehen in ihren Kämpfen. Diese Wirklichkeit wird bezeugt in dem Zeichen des Erzengels Michael, des Drachentöters. Ihren biblischen Ursprung hat die Michaelisgeschichte in den prophetischen Büchern des Alten und Neuen Testaments, vor allem im Buche Daniel aus der persischen Zeit und in der Offenbarung des Sehers Johannes. „Der große Fürst Michael, der für die Kinder deines Volkes steht, wird sich zur selben Zeit aufmachen. Dan. 12, 1” und „siehe Michael, der vornehmsten Fürsten einer, kam mir zur Hilfe, da behielt ich den Sieg, Dan. 10, 13”. Hier erscheint Michael als ein Helfer von oben her, der einen besonderen Rang in der himmlischen Hierarchie einnimmt. Mi - cha - el ist schon als Name ein herausfordernder machtvoller Kampfruf: „Wer ist wie Gott?” Es klingt derselbe Kampfeston hindurch wie in Zebaoth, dem Herrn der Heerscharen, von dem wir singen, „und ist kein anderer Gott, das Feld muß er behalten”. Dieser Herr der Himmelsheere gibt Michael den Auftrag, alle Engelsmächte anzuführen zum Kampf gegen den Satan und seine Engel. In der Offenbarung Johannes wird uns das kühne Bild vom Drachentöter im 12. Kap. geboten. „Und es erhob sich ein Streit im Himmel: Michael und seine Engel stritten mit dem Drachen; und der Drache stritt und seine Engel, und siegten nicht (Vers 7, 8a)”. Michael überwindet „den großen Drachen, die alte Schlange, die da heißt der Teufel und Satanas, der die ganze Welt verführt (Vers 9)”. Michael ist also eine entscheidende Rolle in dem Endgericht zugedacht. Den Sieg Christi durch Vernichtung des Satans vollends offenbar zu machen, ist die Aufgabe, die Michael zufällt unter den Engelfürsten. Luther hat die Engel noch als die „starken Helden Gottes” geachtet. Weil die Reformatoren die Macht des Teufels ernst nahmen, ist ihnen auch das Bild des Drachentöters aus der geheimen Offenbarung als ein Zeichen der Verheißung göttlichen Sieges wert gewesen. Luther sagt in einer Michaelispredigt, indem er heidnische Irrlehre klar abweist, wie sie auch Paulus im Galaterbrief bekämpft hat, als hätten die Engel eine selbständige göttliche Bedeutung und bedürften gottesdienstlicher Verehrung, folgendes über die Engelverehrung im allgemeinen: „also beten wir die Engel nicht an, trauen auch nicht auf sie, wie man bisher getan hat..., sondern danken und loben Gott, daß er sie uns zugute geschaffen hat.” Diesen Lobpreis des Höchsten über die Macht, die er den Engeln gegeben hat, uns zu schützen und beizustehen, müssen wir wieder gewinnen mit der Fülle urchristlicher reformatorischer Botschaft. Die Aufklärung hat mit der Leugnung des Teufels uns auch Michael und das Kap. 12 der Offbg. St. Johannes vergessen lassen. Da wir aufgerufen sind, den Einbruch der Aufklärung in die christliche Verkündigung und das ganze Wesen der christlichen Kirche zu überwinden, gewinnen wir auch einen neuen Blick für das, was wir anschauen sollen in der Gestalt Michaels. Der biblische Drachentöter ist in besonderem mit unserem Volke verbunden. Das deutsche Volk als christliches Streitervolk Gottes, steht unter dem Schutz des Erzengels Michael, den ihm der Herr zur Hilfe zugesellt hat. Wir sind heute nicht mehr die selbstherrlichen Menschen, die der Engelwelt nicht mehr bedürften und denen das Michaelisfest ein Klang aus längst verlorenen Lebensbereichen erscheint. Die kämpfende Kirche schaut wieder aus nach dem himmlischen Schutz. Wie stark die Verwandtschaft ist zwischen Siegfried, dem Helden der germanischen Sage und Michael, dem Vornehmsten der Fürsten als Drachentöter, die überwinden die alte Schlange, ist offensichtlich. In der deutschen Sage und in der Gleichniswelt der Bibel leuchtet dieselbe Gestalt auf als ein Zeichen dafür, daß der Himmelsherr seine Kämpfer und Helden auf Erden nicht verläßt in ihren Nöten. In die biblische Anschauungswelt ist in Michael ein Bild aus den arisch-persischen Himmelsvorstellungen aufgenommen. Darum klingt dies Bild so stark wieder in unserer deutschen christlichen Seele. Darum finden wir in allen deutschen Kirchen, aus den großen Zeiten des ersten heiligen Reiches deutscher Nation stammend, so oft die Michaelfigur, den Engel mit der glänzenden Lanze oder dem blitzenden Schwert und zu seinen Füßen den ohnmächtig sich windenden Drachen, dem die lichte, kühne Heldengestalt den Fuß auf den Nacken setzt. Die ursprüngliche Deutschheit einer Kirche, ja einer Stadt, ist an ihrer Beziehung zu St. Michael deutlich abzulesen. So ist denn das die Bedeutung Michaels, daß Christus den Seinen helfen will durch der Engel Schutz. Christus gibt Seine Macht und Herrlichkeit, die ihm der Vater gegeben hat, nicht an die Engel ab, aber er sendet die Engel als Seine Boten aus, daß sie die Seinen geleiten und für sie streiten, besonders dort, wo sie selbst nicht erkennen können die „groß Macht und viel List des alt bösen Feindes”. Wir stehen unter Seinem Schutz besonders da, wo wir ohnmächtig sind. Der schlafende Mensch, der sich selbst nicht schützen kann, tröstet sich des Schutzes der Engel. Das Kind, das noch nicht selbst streiten kann gegen das drohende Unheil, erfährt besonderen Engelschutz. In solchen Zeiten wie die unsrigen, da wir so deutlich an die Grenze unserer Macht und unserer Möglichkeiten geführt sind, erwacht neu unter uns die Gewißheit, daß Er für uns eintritt und wunderbare Wege und Weisen hat, uns beizustehen. Dem erhöhten Herrn ist alles untertan, er macht zu Seinen Diensten die Winde und Feuerflammen, er stellt Engel und Erzengel in den Streit für uns gegen den Widersacher. Heißt es schon im Evangelium von Christus „er sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen”, so geschieht das Gleiche fortan in den kosmischen Weiten und Höhen. Was geschichtlich geschehen ist im Dienst und Kampf des Herrn, in Seinem Tode und in Seiner Auferstehung, geschieht fortan für uns „in den Himmeln”. Der Hohepriester betet für uns am Thron der göttlichen Majestät und schafft uns Frieden und Vergebung durch die Kraft Seines Opfers, der Herr der Himmelsheere streitet wider die bösen Geister unter dem Himmel und behält den Sieg, daß wir uns wundern und Seine Macht preisen. Der erhöhte Herr ist nicht fern und abseits von der Erden Kämpfen; er hat uns nicht nur den Geist als Tröster und die Kirche als Mutter geschenkt, sondern hilft uns auch unmittelbar durch den Dienst Seiner heiligen Engel, durch Michael und Sein streitbar Heer. Unüberwindlich starker Held,Das Gottesjahr 1934, S. 85-89 © Bärenreiter-Verlag zu Kassel |
© Joachim Januschek Letzte Änderung: 13-11-11 |