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von Adolf Brandmeyer |
„Wir wissen also nun, daß unser Jahrhundert eine ganz große Heldenrolle zu vergeben hat, vielleicht die größte seit tausend Jahren, und daß diese Rolle im tiefen Sinn und Willen der Geschichte nach Deutschland fällt.” Es mag sein, daß diese Verheißung eintritt. Aber erstaunlich und für den Christen beängstigend ist die Sicherheit, mit der hier das Wissen um den Sinn und Willen der Geschichte und um Deutschlands Schicksal vorgetragen wird. Für den Christusgläubigen ist über den Sinn der Geschichte schlechterdings nichts zu sagen ohne die gehorsame Beugung unter den geoffenbarten Willen Gottes. Aber vielleicht soll dieser Ausspruch Gründels in seinem Buch: „Die Sendung der jungen Generation” auch nur den Willen des deutschen Menschen ansprechen und wecken, daß er aus der Stumpfheit und Verzweiflung erwache. Wir erleben und wissen, daß angesichts des Kampfes um Lebenserneuerung im völkischen Schicksal sonderlich in der Jugend, aber auch in der Führung des Volkes, das Wort umläuft von der „heroischen Lebenshaltung”. Wer könnte das nicht verstehen! Der Kampf des Weltkrieges, die unheimliche Not der Arbeitslosigkeit und die Straßenschlachten in Deutschlands Neuordnung sind die Geburtsstätten dieses Heroismus, der sich ja schon im deutschen Idealismus und im Griechentum findet. Hier steht das vitale Leben auf gegen den es bedrohenden äußeren Tod. Dieser Heroismus begegnet uns heute überall, und er ist der geborene Feind alles zaghaften und schwachen Christenglaubens. Der christliche Glaube, wie er nicht selten in der verweltlichten Christenheit bezeugt und gelebt wird, verfliegt schnell vor solchem dahinstürmenden Heroismus. Psychologisch ist es ja durchaus verständlich, daß in tiefer Lebensverzweiflung solche Urkraft aufbricht. Und die kirchliche Verkündigung muß diese veränderte Mentalität des Menschen ausreichend beachten, ohne daß die heroische Lebenshaltung zur Norm über den Inhalt des Christusglaubens werden kann und darf. In der heroischen Lebenshaltung ist eine unheimliche Angst vor der gesammelten Stille, weil diese den Willen lähmen könnte. Auch jede sinnende Tiefenschau wird leidenschaftlich abgelehnt, weil das zu leicht eine Hemmung bedeuten kann. Das Leben ist Tat und angespannteste Aktivität. Der Kampf ist das eigentliche Lebenselement. Das Fieber glüht, daß doch ja der Sieg errungen werde. In ungeheurer Anspannung aller Kräfte muß der Sieg erfochten werden, möglichst bald. Es gilt, keine Zeit zu verlieren. Die Achse dieser Lebenshaltung, um die sich alles dreht, ist der kämpfende Mensch, dessen Sein und Handeln grenzenlos ist. „Das ist ein Rausch über allen Räuschen, eine Entfesselung, die alle Bande sprengt. Es ist eine Raserei ohne Rücksicht und Grenzen, nur der Natur vergleichbar. Da ist der Mensch wie der brausende Sturm, das tosende Meer und der brüllende Donner, denn er ist verschmolzen ins All, er rast den dunklen Toren des Todes zu, wie ein Geschoß dem Ziel. - Was könnte auch heiliger sein als der kämpfende Mensch?” (Jünger). Der Totalitätscharakter dieser heroischen Lebenshaltung muß klar gesehen werden. Das prometheische Ringen Goethes ist nicht eine Lebensstufe, nicht ein begrenztes Erlebnis neben anderen, sondern das Leben schlechthin. Heroische Lebenshaltung wird Sinndeutung des Lebens. Hier findet der Mensch sich selbst und kommt zur Erfüllung seines Wesens. Daneben steht eine große Verachtung des Todes. Er ist eigentlich garnicht da und hat keinen Wirklichkeitsgehalt. Wir nehmen ihn meist viel zu wichtig. Ihn ernst zu nehmen, heißt bereits, einer Illusion zu verfallen. Der Tod ist „ein natürliches und im Grunde unwichtiges Ereignis, welches unser Ewiges, das vorher und nachher sein wird, garnicht berührt” (Rosenberg). Es ist erklärlich, daß solche heroische Lebenshaltung einen grimmigen Feind hat. Das ist der harte und kleine Alltag des Lebens, für dessen Schwierigkeiten und Aufgaben uns deshalb auch nichts gesagt wird. Die Freude des Kampfes, die Sehnsucht nach dem Sieg, die Raserei der Todesvollendung, die heldische Größe des Ich verdunkeln den Blick für die volle Lebenswirklichkeit. Nichts wäre verhängnisvoller, als sich gegenüber solcher Lebenshaltung pharisäisch zu erheben. Vor allem Kirche und Christenheit haben dazu kein Recht. Denn die Irrfahrten solcher Haltung haben ihren entscheidenden Grund in dem inneren Zerfall aller tieferen Kräfte unseres Lebens, d. h. in der Verweltlichung der Kirche. Das entbindet uns freilich nicht von der Notwendigkeit, die heroische Lebenshaltung an dem Wort der göttlichen Wahrheit zu messen. Ich glaube an Christus, d. h. ich glaube an den Sieger. Soviel äußere Ähnlichkeit und gemeinsame innere Dynamik auch zwischen dem Heroismus und dem christlichen Glauben bestehen, so ist die Substanz, der Lebensnerv grundverschieden. „In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden”. Jesus Christus ist der Sieger. Wir sind es nicht und werden es nicht. Christus ist die Achse des Glaubens und nicht der Mensch. Erst so werden uns auch für den Kampf des Lebens die rechten Weisungen gegeben. Wer spürte nicht täglich die Angst der Welt in sich und um sich. Alle natürliche, an sich haltende Gelassenheit und das Niederzwingen des Schmerzes verhüllen doch nur unsere kreatürliche Angst. Todesbereitschaft und Todesverachtung können uns darüber nicht hinwegtäuschen. Der Glaube, daß der Tod in der Raserei des Kampfes die Vollendung oder ein unwichtiges Ereignis ist, entbehrt jeder Begründung. In aller Kreatürlichkeit sind wir darum getröstet, weil Christus die Welt überwunden hat. Sein Leben, Sterben und Auferstehen verkündet nur ihn als Sieger. Wer spürte es nicht aus diesem Worte, wer wüßte es nicht aus christlicher Lebenserfahrung, daß der Glaube an den Sieger für den Gläubigen ein Kämpfen und Ringen ist!! Dieser Glaube bedeutet nicht, daß wir vom wirklichen Leben auf eine weltferne Versteinerung abgezogen werden. Aber es ist da nichts von Raserei des Kampfes, weil es ja nicht um Selbstübersteigerung des eigenen Ich geht. Durch den Glauben an den Sieger wird es erst möglich, daß die ganze Tiefe der Versuchungen durchkämpft wird. In diesem Kampf ist der Sieg bereits Gewißheit, weil das Verklagen des Satans beendet ist, denn Gottes gnädiger Wille geschieht durch den Christussieg. „Nun ist das Reich und das Heil und die Kraft unseres Gottes geworden und die Macht seines Christus, weil der Verkläger unserer Brüder verworfen ist, der sie verklagte Tag und Nacht bei Gott”. Die heroische Lebenshaltung ist ständig in Gefahr, Sünde, Leid und Tod nicht ganz ernst zu nehmen. Wie sollte man das auch ohne Christus können? „In dem allen überwinden wir weit um des willen, der uns geliebet hat”. Der Glaube schaut unentwegt auf den Sieger und gelobt sich ihm an. Nur so empfängt er den „Kranz der Gerechtigkeit”. Wie einst Moses seine betenden Hände emporhielt bei dem Kampf des Josua, so waltet der Sieger Christus seines priesterlichen Amtes der Fürbitte für uns, damit der hier im Kampf stehende Glaube nicht unterliege. Und das Ende? Die heroische Lebenshaltung kennt die Selbstvollendung und Allfülle des Menschen vor und hinter der Todesgrenze, wenn man diese überhaupt sieht. Dem Sieger Christus ist alles in seine Macht gegeben. Darum wird er zuletzt das von Gott geschriebene Buch auftun. „Siehe, es hat überwunden der Löwe, aufzutun das Buch”. Das Gottesjahr 1934, S. 82-85 © Bärenreiter-Verlag zu Kassel |
© Joachim Januschek Letzte Änderung: 13-11-11 |