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von Wilhelm Stählin |
Ein Briefwechsel Lieber Herr Professor! Sie haben hier kürzlich über Nöte und Aufgaben des Religionsunterrichts gesprochen und haben sich darüber beklagt, daß die von Ihnen erhoffte Aussprache nicht zustande kam. Sie müssen das begreifen aus der Lage, in der wir Lehrer uns befinden. Was wir seinerzeit auf unseren Seminaren mitbekommen haben für die Aufgaben des Religionsunterrichts, läßt uns ohne alle wirkliche Hilfe für die Aufgaben, die wir heute sehen oder wenigstens ahnen. Gerade das, was ich aus den Schriften der Berneuchener erfahren und gerne aufgenommen habe, hat mich in der Sicherheit meiner bisherigen Methode stark erschüttert. Wie mir, so geht es vielen meiner Kollegen, aber wir sehen keinen klaren Weg vor uns. In dieser Lage verspreche ich mir nichts von der Diskussion nach einem Vortrag; jede einzelne Frage führt so sehr in die Tiefe, daß man nicht wüßte wo anfangen und wo aufhören. Aber nun möchte ich versuchen schriftlich das Gespräch aufzunehmen an einem Punkt, der mich besonders bewegt. Sie haben in Ihrem Vortrag gesagt, die ganze Problematik des Religionsunterrichts dränge sich zusammen in der Frage nach dem Wunder. Hier, so sagten Sie, begegne sich unser neues Verständnis für die biblische Botschaft mit einer Wandlung unseres Weltgefühls. Ich konnte mir offen gestanden nicht klar darüber werden, was sich hinter diesen Andeutungen verbirgt. Aber ich empfinde je länger desto mehr ein Unbehagen bei der Art, wie ich Wundergeschichten im Religionsunterricht bis heute zu behandeln pflege. Darf ich Ihnen kurz schildern, wie ich es mache? Es gibt eine Anzahl von Wundergeschichten, mit denen ich gar nichts anfangen kann. Was soll ich über die redende Eselin Bileams oder über Jona im Bauch des großen Fisches oder über das Essen des auferstandenen Christus sagen? Ich halte das für Legenden, wie sie überall in der Welt von den Gottesmännern erzählt wurden. Aber ich wage nicht, das meinen Kindern in der Schule zu sagen, und helfe mir nun damit, daß ich diese Geschichten auslasse, um meine Verlegenheit zu verbergen. Bei vielen anderen glaube ich eine natürliche Deutung geben zu können. Ich versuche die Heilungen Jesu den Kindern verständlich zu machen, indem ich ihnen etwas von der wunderbaren Kraft des Geistes und von den erstaunlichen Erfahrungen der Psychotherapie erzähle. Oder ich sage ihnen etwa, daß Jesus bei seinem Wunder auf der Hochzeit zu Kana eigentlich nur den wunderbaren Vorgang in einen Augenblick zusammengedrängt hat, den die Sonne am Weinstock vollbringt, kurzum, ich versuche das Wunder in das Geheimnis des Lebens überhaupt hineinzustellen. Bei manchen Geschichten schwanke ich. So weiß ich z. B. bei der Speisungsgeschichte immer von neuem nicht: soll ich hier nur von dem Himmelsbrot der Seelenspeise reden, mit der Jesus unzählige Menschen satt macht, oder soll ich lieber die Geschichte so darstellen, daß das Wort Christi die Menschen zur Genügsamkeit und zu brüderlichem Sinn erweckt hat, sodaß auch im Leiblichen die Vielen mit wenigem satt werden? Wohl ist mir bei alledem nicht. Vollends aber gerate ich in Verlegenheit bei einigen Geschichten, denen ich nicht ausweichen kann und wo ich auch nicht wüßte, wie man sie etwa erklären oder deuten könnte. Das gilt vor allem von der Weihnachts- und der Ostergeschichte, aber im Grunde doch auch von allen Engelerscheinungen und Totenauferweckungen. Hier weiß ich mir nicht anders zu helfen, als daß ich die Geschichte einfach stehen lasse und erzähle, wie sie uns gegeben ist. Aber ich habe oft das Gefühl, daß ich den Kindern dabei etwas schuldig bleibe. Die jüngeren Kinder nehmen ganz naiv ein solches äußeres Wunder als selbstverständlichen Erweis der göttlichen Allmacht; aber dann fangen sie an zu fragen, ob es eigentlich Engel gibt und wie das eigentlich mit der Auferstehung Jesu gewesen sei, und ich fürchte, bei weitaus den meisten zerbricht dieser kindliche Wunderglaube, so bald sie sich ernsthaft beobachtend dem wirklichen Leben zuwenden; und dann weiß ich ihnen nicht weiterzuhelfen, weil ich selber diese Geschichten nicht begreife. Gerade in dieser Not fühle ich mich auch unter meinen Kollegen einsam. Die meisten deuten auch alle diese Geschichten irgendwie symbolisch oder sie erzählen sie einfach, ohne sich selber dabei durch Fragen beunruhigen zu lassen. Das kann ich nicht, und darum möchte ich Ihnen dieses ganze Bündel von Fragen vorlegen; vielleicht finden Sie einmal Zeit, mir weiterzuhelfen oder mir wenigstens zu sagen, was Sie mit jenen Andeutungen in Ihrem Vortrag sagen wollten. Ich glaube, wenn ich an diesem einen Punkt einen Weg ins Freie sähe, so würde durch meinen ganzen Religionsunterricht eine neue frische Luft wehen. Mit freundlichem Gruß Ihr ... Ihr Brief ist mir deswegen eine Freude, weil er die Frage des Religionsunterrichts wirklich an einem ganz entscheidenden Punkt aufgreift und weil er mit solcher nüchternen Ehrlichkeit die Lage und das heißt die Not beschreibt. Das Unbehagen, von dem Sie berichten, ist doch immer ein Zeichen, nicht nur, daß etwas nicht in Ordnung ist, sondern daß man mit dem bisherigen Denken an ein Ende gekommen ist, über das nur eine neue Erkenntnis wirklich hinausführt. Daß Sie sich unbehaglich fühlen den Wundergeschichten und der üblichen Art gegenüber, wie die Wundergeschichten in der Schule behandelt werden, das ist das, was mich in Ihrem Brief so stark berührt. Gerne versuche ich deutlicher zu machen, was ich bei meinem Vortrag in S. nur kurz angedeutet habe. Ich kann freilich kaum etwas anderes tun als die Stadien des Weges bezeichnen, den ich selbst geführt worden bin; aber vielleicht können und müssen auch andere diese Wege gehen. Es war für mich in meiner Studentenzeit ähnlich wie für ungezählte andere eine befreiende Wohltat, als uns die kritische Theologie lehrte, daß unter den biblischen Wundergeschichten eine ganze Anzahl von legendären Zügen eingemengt ist und daß nicht selten die Erfahrung von einer außerordentlichen Hilfe Gottes in der Form einer äußeren Wundergeschichte sich aussprach. Wir werden auch heute ein gutes Gewissen dabei haben, wenn wir einzelne biblische Wundergeschichten so betrachten. Es hat mir immer Freude gemacht den Kindern an einer Geschichte wie von dem „Bogen in den Wolken” oder vom Durchzug durch das Rote Meer deutlich zu machen, wie ein „natürlicher” Vorgang für den Glauben zum Zeichen Gottes und zum Erweis einer besonderen göttlichen Hilfe wird. Ich glaube, daß dadurch ein sehr wesentliches Moment des Wunderglaubens, eben der überwältigende Eindruck einer göttlichen Bekundung, in den Vordergrund geschoben wird. Also darin möchte ich Ihnen recht geben, darin möchte ich Sie ermutigen. Auch darin stimme ich Ihnen zu, daß sehr viele Wundergeschichten eine symbolische Einkleidung inwendiger Erfahrungen oder geistiger Wahrheiten sind. Vielleicht ist der Umkreis solcher Wundergeschichten noch viel größer, als Sie anzunehmen scheinen. Wir abendländischen Menschen der Gegenwart sind so sehr an ein abstrakt-begriffliches Denken gewöhnt, daß wir mit Staunen merken, wie sehr Menschen früherer Jahrhunderte, vor allem des Morgenlandes, in Bildern geredet, in Bildern gedacht, vielleicht sogar wirklich in Bildern erlebt und gehandelt haben. Sind Sie nicht auch bisweilen überrascht davon, wie selbstverständlich Kinder durch die bildhafte Hülle solcher Geschichten hindurch das Wesentliche herausspüren und aufnehmen? Ich entsinne mich eines Unterrichtsgesprächs über das Wandlungswunder auf der Hochzeit zu Kana. Von den Krügen, die da „nach der Weise der jüdischen Reinigung” standen, ließen wir uns aus die sinnbildliche Bedeutung des Wassers als des Mittels der äußeren Reinigung führen und vergegenwärtigten uns dann an Worten aus der Bibel und aus ganz anderen Quellen, wie der Wein von innen her den Menschen belebt und befeuert, und plötzlich stand es da, selbstverständlich und befreiend: Wo Christus ist, da wird das Wasser in Wein verwandelt; und was unsereiner auf sehr mühseligen Wegen und durch viele Erschütterungen hindurch gelernt hatte, war dem Kinderherzen beglückend nahe und einfach: daß Jesus Wasser in Wein verwandelt hat, ist die Erfüllung dessen, was Jeremia von dem neuen Bund geweissagt hat; das „Zeichen” war wirklich zum Zeichen geworden. Gewiß meine ich nicht, daß wir vor den Kindern mit solchem religionsgeschichtlichen Wissen prunken sollten, wohl aber können wir sie ahnen lassen, daß hier ein Geheimnis, ein schweres und großes Geheimnis der inneren Führung seinen kindlich-bildhaften Ausdruck gefunden hat. Also auf diesem Weg möchte ich Ihnen erst recht Mut machen; ja, wenn Sie einmal Entdeckungsreisen durch das Land der biblischen Wundergeschichten machen, so werden Sie mit Staunen und Freude hinter Geschichten, in denen Sie das kaum vermutet hätten, einen solchen lebendigen Tiefsinn aufleuchten sehen. Aber freilich, auch damit kann nicht das letzte Wort gesprochen sein. Sie spüren selbst, daß in den biblischen Wundern noch ein Geheimnis steckt, vor dem wir immer wieder wie vor einer verschlossenen und verrammelten Pforte hilflos stehen. Fühlen wir uns nicht wie diesseits einer undurchdringlichen Mauer? Aber durch diese Wand hindurch dringen Klänge eines unbekannten und unerhörten Lebens zu uns und über die Mauer herüber rührt der Lichtschein einer glanzvollen Weite an unser Auge. Die Mauer, hinter der wir wie eingesperrt sind, ist die Naturbetrachtung, in der wir befangen sind; und in dem Maß, als sich unser Welt- und Naturgefühl wandelt, fangen wir wieder an zu begreifen, was die biblischen Wundergeschichten eigentlich meinen. Zunächst müssen wir uns gründlich von dem Wahn befreien, als ob nur das in vollem Sinn wirklich wäre, was wir als die äußere „Natur” um uns her sehen, was wir mit unseren leiblichen Augen sehen und mit unseren leiblichen Ohren hören und mit unseren leiblichen Händen begreifen können. Solange wir diesen seltsamen Respekt vor einer naturhaften Wirklichkeit haben - und wir sind ja alle in erschreckendem Maß davon befangen - fragen wir immer wieder bei dem, was die Bibel erzählt, was sich denn da „eigentlich” und wirklich ereignet habe, und meinen damit, was sich in der äußeren physischen Welt abgespielt hat. Als ob es nicht auch ganz andere Wege echten Erlebens gäbe, auf denen wir doch nicht minder auf die Spur der „Wirklichkeit” stoßen! Es gibt ein inneres Auge, das durch die äußeren Dinge hindurch in ihrem Symbolgehalt das Licht, das blendende oder erleuchtende Licht jenseitiger Wahrheit schaut. Ist es etwas „Unwirkliches”, wenn der Dichter des 104. Psalms Gott dafür preist, daß er Winde zu seinen Engeln und Feuerflammen des Blitzes zu seinen Dienern macht - obwohl das natürlich keine Beschreibung äußerer Naturvorgänge ist? Wir fangen wieder an zu begreifen, daß es Bewußtseinszustände gibt, in denen wir anders und anderes aufnehmen, in denen wir sozusagen hinter den Vorhang schauen, in denen sich uns eine Tiefenschicht der Wirklichkeit erschließt, die mit naturhaften Kategorien nicht zu erfassen ist. Sie begreifen, daß ich damit nicht einfach die Erweiterung unseres naturwissenschaftlichen Weltbildes durch die Erforschung sogenannter okkulter Erscheinungen im Auge habe - obwohl wir in der Tat, wenn wir ernstlich von Telepathie, Telekinese, Levitationen und ähnlichen Tatsachengruppen wissen, mit dem Wort „unmöglich” sehr viel vorsichtiger und sparsamer werden; aber nicht das ist entscheidend. Materialisationsphänomene sind keine Engel, und Clairvoyancen sind etwas anderes als die „Schauungen” des „Sehers”. Es handelt sich vielmehr um die Ahnung von ganz anderen Erlebnisbereichen und ich glaube, daß nur, wer davon wenigstens von ferne ahnt, den biblischen Wundergeschichten überhaupt gerecht werden kann. Die Männer der Bibel haben dann freilich, indem sie berichteten, was ihnen widerfahren war, nicht anders davon erzählen können als indem sie scheinbar ein äußeres Ereignis in der physischen Welt vermeldeten. Welche Erlösung, welche unerhörte Befreiung, wenn wir mit diesen Möglichkeiten ernsthaft rechnen und den Bann einer naturalistischen und materialistischen Begrenzung des Wirklichen und Erfahrbaren endgültig zerbrochen haben! Noch viel schwerer freilich liegt eine andere Hemmung auf uns. Wir haben das Äußere und das Innere auseinandergerissen. Wir haben das Körperliche und das Geistige geschieden, als ob es zwei Welten wären; und wir haben ganz naiv die Meinung genährt, als ob Gott eigentlich nur mit der Welt sogenannter Innerlichkeit oder Geistigkeit etwas zu tun habe. Ich brauche Ihnen nicht einen Geschichtsvortrag darüber zu halten, wie diese spiritualistische Denkweise aus der Spätantike in das Christentum eingebrochen ist und wie sie dann in den herrschenden Gestalten der neuzeitlichen Philosophie zum vollen Sieg gekommen ist. Haben wir uns nicht alle daran gewöhnt zu meinen, daß in der äußeren Welt, in der Welt der körperlichen Erscheinung, alles nach dem Gesetz strenger Kausalität abrolle und daß Gott es nur mit der „Seele” zu tun habe und daß nur in dieser Seele und an dieser Seele „Wunder” geschehen können? Sie haben die Geschichte von der Sturmstillung als Beispiel dafür angeführt, daß Sie manche Wunder Ihren Kindern nur in einer symbolischen Deutung nahebringen können; darum möchte ich gerade an diese Geschichte anknüpfen. Haben Christus und die Natur etwas mit einander zu tun? Ich meine nicht nur in dem Sinn, daß Jesus gerne von der sprießenden Saat und den blühenden Lilien geredet hat, sondern so, daß die Erscheinung Christi und sein Erlösungswerk auch in die Welk der Natur hinein etwas bedeuten. Hier tut sich einfach eine völlig andere Naturbetrachtung, freilich auch ein ganz anderes Christusverständnis auf, ein Christusverständnis, wie es etwa der Kolosserbrief als selbstverständlich voraussetzt. Luther hat, wie Sie vielleicht wissen, über jeden der drei Glaubensartikel das Wort „Jesus” geschrieben; auch die Welt der Schöpfung hat einen neuen Namen und das heißt einen neuen Herren bekommen. Nur deswegen sind wir nicht mehr in Angst und Ohnmacht den Elementen dieser Welt unterworfen, weil Christus der Herr ist auch über die Naturmächte. Ich möchte also gerade diese Geschichte nicht mehr symbolisch deuten, wie ich es selbst durch Jahre hindurch getan habe, sondern möchte gerade an dieser Geschichte den Kindern eine Ahnung davon erschließen, daß es einen Sinn gehabt hat, wenn Franz von Assisi auch den Tieren gepredigt hat und von Sonne, Wasser und Erde um Christi willen als von seinen Brüdern und Schwestern geredet hat. Ich weiß, daß sich dieser Weg sehr weit entfernt von dem, was auch heute noch zumeist über das Wunder gesagt wird, und ich weiß aus Erfahrung, welche Erschütterung es für die meisten heutigen Menschen bedeutet, wenn ihnen diese biblische Verkündigung zum erstenmal ernsthaft begegnet, daß wir nicht von unserem Leib und von der Natur erlöst werden sollen, sondern daß unser Leib auferstehen soll und daß die Natur selber auf ihre Erlösung wartet. Aber ich kann Ihnen auch das andere bezeugen, daß unsere Kinder im allgemeinen viel offener für diese Botschaft sind und daß sie, noch ganz anders in der Einheit des Lebens und der Welt wurzelnd, es viel leichter als die Erwachsenen als Evangelium vernehmen, daß Jesus Leiber gesund gemacht und dem Sturm und den Wellen geboten hat. Aber damit bin ich eigentlich schon bei dem Letzten angelangt, was ich Ihnen sagen möchte. Es handelt sich bei dem biblischen Wunder um eine Verheißung, die über dem leiblichen Leben und dem ganzen irdischen Geschehen aufleuchtet. Es ist etwas ganz Neues, was hier anhebt, wie die Morgenröte eines neuen Tages. Der Ausdruck, den die Bibel am liebsten von dem Wunder gebraucht, ist das „Zeichen”; es ist aber eben nicht nur ein Zeichen der göttlichen Allmacht, sondern es ist ein Zeichen des Gottes, der die Menschheit erlöst und der eine neue Welt erschafft. Ich habe meinen Schulkindern oft erzählt, daß ich als Kind die Sonne, wenn sie am Abend niedersank, sodaß man ihren Glanz ertragen konnte, immer als ein Fenster empfunden habe, durch das der unvorstellbare Glanz einer anderen Welt hereinflutet. Daran habe ich versucht ihnen deutlich zu machen, was ein Wunder ist; ich könnte auch sagen ein „geöffnetes Fenster nach Jerusalem”, nämlich nach dem Reich der jenseitigen Vollendung, wo alle Schwachheit, Verkümmerung und Verkrüppelung der Leiber und der Seelen abgetan sein wird. Man kann das, wie ich meine, am ergreifendsten spüren etwa an der Verklärungsgeschichte. Der ganz zum Licht gewordene Christus: das ist ein stammelnder Ausdruck für den Christus der himmlischen Herrlichkeit. Und nun: Wir werden ihn sehen, wie er ist! Erst von hier aus kann man sinnvollerweise die Auferstehungsgeschichte erzählen und verdeutlichen. Solange wir in der alten Naturbetrachtung befangen sind, kommt uns ja immer das Wörtlein „wieder” über die Lippen, als ob es sich hier in irgend einem Sinn um eine Rückkehr ins irdische Leben, um ein Ungeschehenmachen des Todes handelte, während es doch der Anbruch des ganz Neuen und das Hereinwirken einer zukünftigen Herrlichkeit in den irdischen Lebensraum ist. Seit ich einmal erlebt habe, wie von diesem einen Punkt ans nun den Kindern ungeheure Zusammenhänge sich auftun, warum die Kirchen nach Osten gebaut sind und warum wir den Sonntag und nicht den Sabbat halten, und warum wir Christus den Morgenstern und nicht den Abendstern nennen, seither weiß ich ein für allemal, daß das der entscheidende Weg ist, auf dem wir unsere Kinder an die biblischen Wunder heranführen müssen; und all die Schwierigkeiten, die sich auf diesem Wege bergehoch auftürmen, werden mich nie mehr in der Sicherheit und Freude dieses Weges irremachen. Das ist nun eine lange Epistel geworden. Ich kann mir wohl denken, daß Sie nun erst recht zu fragen anfangen, daß nun ein Wunder um das andere vor Ihrer Seele steht und daß Sie versuchen, wie man diese Wunder wohl einteilen und welcher Gesichtspunkt der richtige für jedes einzelne sein könnte. Ich freue mich darauf, wenn uns einmal ein Gespräch darüber geschenkt wird. Aber lassen Sie es für heute damit bewenden, daß ich Ihnen Rechenschaft darüber gab, wie ich auch in dem Verständnis der Wunder aus dem Gefängnis einer unfrommen Naturbetrachtung herausgeführt worden bin und den Weg ins Freie gefunden habe, in das freie Land Gottes. Das Gottesjahr 1932, S. 104-112 © Bärenreiter-Verlag zu Kassel |
© Joachim Januschek Letzte Änderung: 12-11-27 |