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von Wilhelm Thomas |
Von tausend Altären loht noch immer rings um die Erde die Opferflamme gen Himmel. Nur wir zivilisierten Christen wissen nicht recht, was es eigentlich um das Element des Feuers ist. Wir haben seine Heizkraft eingefangen, daß uns der Winter und die Polarnacht nicht mehr an der Arbeit hindern können. Wir haben es verkoppelt mit seinem Gegenspieler, dem Wasser, um unsere Maschinen zu treiben. Wir haben seine rohe Gewalt an eherne Ketten gelegt und mit unübersteiglichen Mauern umgeben, daß es uns nicht ausbreche und unser Werk zerstöre. Wir haben es gezähmt und zierlich gemacht in Kerzen und Lampen, daß wir seine Lieblichkeit genießen möchten, ohne vor seiner Schrecklichkeit erzittern zu müssen. Wir haben endlich auch Kunde bekommen, daß unsere Vorfahren in heiligen Nächten ums lodernde Feuer gingen, und haben gleich ihnen zu festlichen Zeiten den Weihebrand geschürt. Andre wieder haben die Fackel geworfen in des Menschen Werk und haben sich geweidet an der Entfesselung des Sklaven, am Freiwerden des Elementes und an dem Schrecken, der die Menschen befiel, als sie sich an seine Gewalt ausgeliefert sahen. Kurz, wir Kulturmenschen h a b e n das Feuer - a l s e i n M i t t e l unserer Kultur; aber es steht n i c h t vor uns a l s d i e K r e a t u r , als das lebendige Element der Welt, als das göWilhelm Thomas - Das Feuerich-teuflische Geschöpf und Widerspiel Gottes. Wie wenig es vor uns steht in seiner ganzen Gestalt, zeigt ein Brauch, von dem man wohl meinen könnte, daß ein Wissen ums Feuer dahinter wäre: es gibt Menschen, die das Feuer als letztes großes Zeichen über ihr Leben setzen möchten, und machen es so, daß sie ihre Leiche - dem Koksofen übergeben. Nein, wir haben das Feuer nicht, wir kennen es kaum mehr - wenn anders Feuer eine lebendige Wirklichkeit in der Welt ist, ein Geschöpf Gottes, dienstbar geworden vielerlei Geistern unter dem Himmel. Wenn anders es die große Wandlungs- und Zerstörungskraft im Reiche der Natur darstellt. Aus dem Stein wird der Funke geschlagen, gleißend, sprühend, winzig, verlöschend. Aber der Schwamm fängt ihn auf, der Zunder glüht, du bläst ihn vorsichtig an, das Leben springt über, der Schwefelfaden brennt. Du hütest die Flamme vor Zug, du legst sie ins dürre, harzige Holzwerk: nun hat das Schwache, kaum Entstandene Gewalt. Es prasselt und flammt, es leckt und läuft, es flackert und strahlt. So hegst du's im Herd, es wärmt dir den Raum, saugt frische Luft auf und verzehrt die alte; es singt ein wohltuendes Lied von Häuslichkeit und Frieden und hilft dabei, dir und den Deinen die tägliche Kost zu bereiten. Dann sinkt es wieder in sich zusammen, mit stiller Kraft wahrt die Glut Wärme und Licht, dann deckt sie sich mit grauer Asche und verlischt. Wieviel Gestalten - und doch nur e i n Bild, das Bild eines stillen, steten, wohltuenden Geschehens, sodaß es in einem alten Buche heißen kann: „Summa, wo Feuer ist, da ist es heimlich und geheuer.” Muß ich dir Gegenbilder malen, die alle auch Feuer heißen? Die Feuersbrunst in der Hafenstadt, Mensch und Menschenwerk vernichtend, oder den vom Sturmwind gepeitschten Steppenbrand? Die Schmelzöfen der Fabriken, genau berechnet und ausgeklügelt, damit sie ihren Dienst täten, und doch letztlich unberechenbar, jeden bedrohend, der ihnen zu nahe kommt? Oder die Künste des Feuerwerkers, bald dazu da, die Widerstände von Holz und Stein zu brechen, die sich dem Kulturwillen des Menschen entgegenstellen, bald zur Vernichtung des Menschen selbst in Krieg und Aufruhr des einen wider den andern, bald wieder als Unterhaltungsspiel zierlich ausgedachter Illumination? Es dürften dann freilich die Jahresfeuer nicht fehlen, als Sonnwendfeuer oder Osterfeuer oder Bundesfeuer angezündet auf nächtlicher Höhe, umringt von feiernder Jugend - auch dies Feuer so vielgestaltig wie nur eines; sollte ja doch gerade an ihm etwas gegenwärtig sein von einer Zusammenschau aller Feuersgestalt im Umkreis des Menschenlebens, etwas wirklich werden von einem Hineinschauen in das Wesen des Feuers, von einer Begegnung mit der Kreatur des brennenden Elementes. Und in der Tat, wer am brennenden Holzstoß gestanden, der hat dies alles beieinander gesehen, vom verlorenen Funken bis zum Weltenbrand; die verzehrende Reinigung und den schwelenden Rauch, die ewige Unrast der züngelnden Flammen und die stille Verhaltenheit der Glut. Der hat damit angefangen, das Ganze zu sehen in den ungezählten Erscheinungen, die Einheit in der verwirrenden Fülle, aber wahrlich keine Einheit der Harmonie, sondern eine Einheit des So-wohl-als-auch, des So-und-auch-anders. Der hat hineingeschaut in die Unersättlichkeit, die zum Feuer gehört: Feuer ist im Streit mit allen andern Elementen, es gibt nur ein vollkommenes Feuer, den Weltenbrand. Es ist einer gewesen, der hat gesagt: „Ich bin kommen, daß ich ein Feuer anzünde auf Erden; was wollte ich lieber, denn es brennete schon?” War das nicht Christus? Sollten wir uns nicht tief versenken in die Natur des Feuers, um zu wissen, was hier gesagt ist? Ich glaube, die Kerzlein an unsern Christbäumen reichen dazu nicht aus, so sehr sie eine Vorahnung sein mögen. Aber die Freiheitsfeuer der Völker, die Freudenfeuer der Jugend sind auch nicht, was da nottut. Osterfeuer - als Funke aus dem Stein - als Siegeszeichen von Berg zu Berg - wie müßte eine Kirche beschaffen sein, deren Führer solch Zeichen stifteten, eben nicht als Volksbelustigung, sondern als Begegnung mit der Kreatur Gottes? So nimm das Bild einstweilen, wo du es findest. Du brauchst nicht zu warten, tausendfältig umgibt dich verzehrende, wärmende, lohende Glut. Tu die Augen auf, und sieh die Kreatur, und merke, in welcher Welt du lebst. Ist, was dir begegnet, unschuldige Kreatur, reine Flamme, wie Gott sie zu seinem Boten gemacht hat? Du glaubst etwas davon zu spüren, und du hast recht: alle Kreatur zeugt von ihrem Schöpfer. Aber ist es nicht auch arme, ohnmächtige, ins Leere ausgreifende Kreatur? Und dann wieder trotzig widergöttliche, teuflisch liftende, vernichtende, blind wütende Kreatur, gefallen vom Ursprung und zum Sklavenjoch fremder Herren, zum Dienst der Bosheit verdammt? Ist es nicht auch wieder geheiligte Kreatur, deren Verlorenheit gesühnt, deren Unfruchtbarkeit aufgehoben ist, da wo sie dienen darf den großen Wundern der Läuterung, der Veredelung, der neuen Schöpfung? Du wirst das alles sehen, wenn du ins Feuer schaust, und noch mehr; und wirst von da aus verstehen, was Christus auf Erden gesucht, und worauf Himmel und Erde warten. Es muß „alles durchs Feuer bewährt” werden. Jenseits des Feuers aber kommt der, „der nicht mehr im Feuer ist”; denn das Feuer ist sein Geschöpf, und „Boten”, nur Boten „sind ihm des Feuers Flammen”. Das Gottesjahr 1932, S. 68-70 © Bärenreiter-Verlag zu Kassel |
© Joachim Januschek Letzte Änderung: 12-10-15 |