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Sonnabend
von Wilhelm Stählin

Wenn die Glocken am Samstagabend den Sonntag einläuten

LeerNun grüßt Dich der Sonntag. Noch ist Werktag. Noch ist der Hast und Mühe, des Wirkens und des Fegens und Putzens kein Ende; aber der Sonntag hat seinen Gruß vorausgeschickt. Schau auf von Deiner Samstagsarbeit und danke ihm mit einem fröhlichen Angesicht!

LeerAus Abend und Morgen ward der erste Tag; aus Sonn-Abend und Sonn-Tag wird erst der rechte Feiertag. Der Sonntag grüßt Dich und ruft Dir zu: Du sollst die scheidende Woche recht enden, damit Du die neue recht beginnen kannst. Mach Feier-Abend, damit Du Feier-Morgen und Feier-Tag halten kannst!

LeerDie Glocken verkünden den Feierabend. Ach, wohl bist Du müde und dankst von Herzen, daß Du nach „einer Woche Hammerschlag” nun Hand und Herz ruhen lassen darfst. Und doch legst du zögernd Dein Tagwerk aus der Hand und hörst nicht ohne Wehmut die Glocke, die zum Feierabend ruft? Du bist nicht fertig und wolltest soviel noch vollenden, ehe Du dem Sonntag unter das strahlende Auge trittst! Ach Du trägst unser aller Menschenlos, nie „fertig” zu werden. Der Vorwurf, mit dem Dich Dein unvollendetes Werk betrachtet, klingt heimlich aus allem menschlichen Werk, das immer Stück-Werk bleibt. Und nun lerne tun im Kleinen, was Du einmal tun mußt im Größten und Letzten; lerne die Demut der Selbstbescheidung, die das unvollendete Werk beiseite legt und sich dennoch des Feierabends und des Sonntags freut. Ich sage Dir nur, was die Glocke, die den Sonntagsgruß zu Dir trägt, Dir sagen möchte mit ihrem Klang: sei freudig und sicher in Deiner Begrenzung und danke in dem bescheidenen Kreis Deines Lebens für beides, daß Du arbeiten darfst mit Deiner Kraft, und daß Du feiern darfst, um neue Kraft zu gewinnen!

LeerDie Glocke verkündet den Sonn-Abend. Sonnabend ist Abschluß und ist Bereitung. Nun bringe in Ordnung, was die Woche verwirrt! Mach Ordnung wie in deiner Stube so in Deinem Leben! Füg ein jedes Ding an seinen Ort, damit die Sonne des Sonntagmorgens Dich nicht beschäme. Nun rüste Dich, Dein Werktagskleid abzulegen und mit ihm Staub und Schmutz, der Dir von der Arbeit einer Woche anklebt; nun lege Dir die Feierkleider zurecht, und wenn Du sie mit dankbarem Blick hervorholst aus Rasten und Lade, so rüste Deine Seele, daß sie aus heimlicher Truhe ihr Feierkleid hole, mit dem der Sonntag sie schmücken und ehren will! Nun tu die letzte Arbeit, daß der Schmutz von der Arbeit einer Woche von Deinem Leib und Deiner Stube verschwinde, und daß alles glänze und blinke in Erwartung und Freude! Verdrießt es Dich, daß die mühselige Arbeit immer von neuem beginnen muß, daß alsbald sich wieder Staub und Schmutz auf den frisch gescheuerten Boden und auf die sauberen Kleider legt? Freu Dich vielmehr, daß immer wieder der Sonntag kommt, der den Staub des Alltags und den Schmutz der Welt von Dir nimmt und in seinem Glanz Dich reinigt und heiligt!

LeerDie Glocke verkündet den Feiertag. Nun öffne die Fenster, daß die reine und kühle Luft des Abends Deine Stube mit köstlicher Frische durchziehe; nun tu Dein Herz auf, daß der reine und heilige Geist der Anbetung Dich durchdringe und läutere. Tu ab die Unrast; Du darfst ja feiern! Tu ab die Sorge; Du sollst fröhlich sein vor Gott! Tu ab den Neid; Du darfst ja alle Reichtümer des Sonntags empfangen! Tu ab den Groll; Du sollst den Tag der Freiheit und der Liebe feiern! Tu ab Verzagtheit und Reue; Du sollst ja haben in dem Born der Gnade. Die Glocke verkündet den Sonntag.
Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch,
Daß der König der Ehren einziehe
Das Gottesjahr 1926, S. 116-117
© Greifenverlag Rudolstadt (Thür.)

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-10-12
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