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von Wilhelm Stählin |
Ich habe vollendet das Werk, das du Vollenden kann allein Gott. Auch Gottes Werk ist niemals fertig in dem Sinn, daß es nun abgeschlossen wäre wie ein Hand-Werk, das der Meister beiseite legt, weil nichts mehr daran zu tun oder zu bessern ist. Gottes Wirken ist ohne Pause und ohne Rasttag, und ein jedes Ding und Geschehen wird zum Ausgangspunkt eines neuen Werdens und Geschehens. Aber eben darin ist alles Tun und alle Geschichte vollendet, daß sie an ihrem Ort in einen lebendigen Zusammenhang der Welt eingegliedert ist und fruchtbar wird in neuer Tat und neuem Schicksal. Wir wissen niemals, was unser Werk in Wahrheit „wirkt”; und darum - im letzten Grunde - ist es für unsere Augen niemals „vollendet”. Aber eben das, was wir nicht vermögen, ist das eigentliche Werk des göttlichen Waltens; er fügt unser geringes und vereinzeltes Tun in ein Ganzes, das wir nicht überschauen, sinnvoll ein; er läßt Wirkung daraus entspringen, vielleicht ganz jenseits unserer Absicht und unseres Planes; er kann dann, was in Schwachheit begonnen und geendet ist, mit einer geheimen Kraft begnaden, und stellt auch unser Fehlen und Versäumen in seinen Dienst. Er baut ohne Unterlaß an seinem ewigen Werk und will es vollenden; aber alle Menschen, die Gehorsamen und die Widerstrebenden, alle Taten und Werke, die guten und die bösen, stellt er in seinen Dienst, um an ihnen und durch sie zu vollenden, was er „von Ewigkeit zu Ewigkeit” tut. Das aber ist auch wirklich die Vollendung des menschlichen Werkes. Es ist töricht, wenn wir dem ehrgeizigen Ziel nachjagen, irgend etwas „Vollendetes” und Endgültiges zu schaffen! Die Vollkommenheit, zu der wir berufen sind, liegt an einem anderen Ort. Nicht in der Weite und Wirkung, sondern in der Tiefe und dem Ernst unseres menschlichen Werkes liegt seine menschliche Vollendung. Die Glut des Herzens, die Kraft des Vertrauens, die Tiefe der Liebe, die wir in unser Tun legen, gibt ihm seine Fülle und seinen Wert und v o l l -endet das Werk. Darum ist wohl manch großes und stolzes Werk, das nach Jahren der Mühe „vollendet” ist, ein Stückwerk vor Gott, und ein kleinster Dienst der Liebe, die kleinste Tat, die „aus dem Glauben” geschieht, ein vollendetes Werk. Darum ist wohl auch das Spielen des Kindes ein vollendetes Werk, während manch stolzes Manneswerk dazu verurteilt ist, unvollendet zu sein, auch wo es fertig geworden ist. Darum kann immer nur das Kind des Vaters sagen: Ich habe vollendet das Werk, das du mir gegeben hast. Es ist nie fertig auf Erden, und auch das Werk des Sohnes „vollendet” der Geist in alle Ewigkeit. Aber immer, wo Gott in seinem Sohn sein Werk tut, ist es vollendet in jedem Augenblick. Das Gottesjahr 1926, S. 114-115 © Greifenverlag Rudolstadt (Thür.) |
© Joachim Januschek Letzte Änderung: 12-10-12 |