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von Wilhelm Stählin |
Das ist das ewige Leben, daß sie dich, der Es gibt ein eitles Wissen, sei es von irdischen, sei es von „göttlichen” Dingen, das als ein toter Ballast die Seele beschwert und das „Leben”, das wirkliche Leben, gar nicht berührt, so wie das häßliche Leben der Großstadt vorüberflutet an den Schätzen der Weisheit und der Schönheit, die in einem Museum aufbewahrt sind. Aber es gibt auch eine Erkenntnis, die als die reife Frucht eines wahrhaftigen und hingebenden Lebens der Arbeit und des Dienstes und des Kampfes geschenkt wird, eine Erkenntnis aus der unmittelbar das Leben selbst in seiner tiefsten Kräftigkeit und Fruchtbarkeit erblüht. Solche Erkenntnis ist immer die lebendige Berührung mit dem tiefsten Grund alles Lebens, ist der Blick hinter den Vorhang, das Hören des Wortes. Götzen sind die uns narrenden Irrlichter des Lebens; Gott erkennen und auf der Spur des Lebens sein, ist eines und dasselbe. Der Gott aber, in dem die Wahrheit des Lebens gefunden und das wahre Leben gewonnen wird, ist nicht ein grundloses Meer, in das der verzückte Geist sich verliert, sondern ist der Gott der Geschichte, der Jesus Christus gesandt hat in die Welt, der Vater, der in dem Sohn geoffenbart und verklärt ist. Der Vater wird erkannt, indem der Sohn erkannt wird; Gott wird erkannt, indem das persönliche Leben als die Stätte der Gottesoffenbarung begriffen wird. Darum ist die volle Höhe des reifen Lebens, da der Mensch sein Selbst gefunden hat, um es nun ganz im Dienst zu verzehren, da der Mann ganz Mann und die Frau ganz Frau geworden ist, eine köstliche Gnade und der tieferen Gotteserkenntnis gewürdigt als die Schönheit der blühenden Jugend. Die erkannte Wahrheit gestaltet das Leben; allein in der Wahrheit wird das Leben geheiligt. Wer die Wahrheit gefunden hat, der ist der Wahrheit, dem Wesen des Lebens verpflichtet und verbunden. Wer den Traumbildern entronnen ist und sich auf den Grund der Wahrheit gestellt hat, der wird von der Wahrheit geläutert und gebildet. Darum ist das wahre Leben ein Leben in der Heiligung, und darum gibt es keinen köstlicheren Erweis der Reife, als daß Mann und Frau einander heiligen in der Gemeinschaft der Wahrheit. Erkenntnis und Heiligung sind das Wesen des Lebens, sind das Leben aus dem Wesen Gottes heraus. Das Gottesjahr 1926, S. 71-72 © Greifenverlag Rudolstadt (Thür.) |
© Joachim Januschek Letzte Änderung: 12-10-12 |