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von Wilhelm Thomas |
Daß die Innenseite unseres Lebens an einem Tag der Woche zugleich Außenseite werde, daß einmal der Hintergrund unseres Wirkens und Seins der Vordergrund werde, und der Grundton Melodie, daß einmal herauskomme, wie die bunten Farben des Alltagtreibens aus einem strahlenden Weiß hervorgehen: dazu ist Sonntag. Das aber ist die Innenseite unseres Lebens: daß wir in Gottes Diensten stehen, ob wir wollen oder nicht; das das Geheimnis daran, daß es heil-ig, heilhaft, zu unserem Heile dienlich ist, wenn wir uns für das Dienenwollen entschieden haben. Heilig an sich ist der Weg des Gottdienens mit unserm ganzen Werk und Wesen. Aber diese Heiligkeit des All-Tags ist eine verborgene Heiligkeit: das Werk des Alltags ist zugleich das Werk der irdischen Zweckhaftigkeit, das auch da geschieht, wo keine solche Bereitschaft zum Dienst da ist, sondern nichts als irdische Zwecke und Nöte und dahinter das herrische „Du mußt”. Und wir würden selbst den geheimen Sinn unseres Lebens aus den Augen verlieren und schließlich auch aus dem Herzen, wenn die geheime Innenseite nicht immer wieder einen Tag die offenbare Außenseite würde. So wird der Sonntag heilig, indem er diesen Hintergrund unseres Wochenwerks (wie es sein soll und heilig ist oder wäre) zum Vordergrund macht, den Grundton zur Melodie erhebt, daß er nicht überhört werden kann: das Gott dienen. Seh' es Gott und Welt, Freund und Feind: das meine und minne ich, danach sehne und strecke ich mich, dafür danke und lobe ich: daß Gott dienen der Sinn meines Lebens sein darf. Nicht als ob dieser Dienst etwas wäre, wodurch ich Gott sein Werk abnähme, als ob es etwas bedeutete an Größe neben dem, was übrig bleibt, als ob ich dadurch zu einer Art Nebengott würde. Nur eine Huldigung, wie der Dienst eines Minnesängers vor seiner Fraue. Nur eine Ehrenbezeugung, wie ein Hutabziehen oder auch einmal ein Fackelzug zu Ehren eines Menschen. Nichts als ein Ausbruch des Lobes der Erhabenheit Gottes und des Dankes für die Güte Gottes. Aber eben damit gar nichts Unwichtiges. Nichts was ohne tiefste Schuld unterbleiben könnte. Ein Werk, ohne das ich den Auftrag Gottes überhaupt verfehlte. Das, worauf es entscheidend ankommt, wenn mein Leben ins Heil führen soll. Wie geschieht es, daß dieser geheime Sinn alles Tagewerks selbst einen Tag ausfülle? Zum ersten dadurch, daß an ihm zurückgedrängt werde, was uns sonst den Sinn unseres Tuns und Treibens immer wieder verschleiert und verdunkelt: Zwangsgewalt und Zweckhaftigkeit. Zum zweiten dadurch, daß zugleich alles das zu seinem Rechte komme, was in der Woche zu kurz kommt, was mein Leib und Seele - zunächst einmal rein irdisch betrachtet - auch haben muß, damit ich ein volles Menschenleben führe. Alles, damit wir tun, was zweckfrei aus uns herauswächst und uns ahnen läßt, daß wir nicht bestimmt seien Maschinenräder zu sein, sondern im Dienste Gottes die Seligkeit zu ererben. Unmöglich ists, wo wir so verschiedene Wochen haben, daß wir alle den gleichen Sonntag hätten, etwa der körperlichen Ruhe und geistigen Ausspannung. Das wäre ein neues Zwangswerk zu denen der Woche. Sondern unser Gesetz heißt: Geldgeist verbannen, Menschsein ergänzen. So wird der Sonntag zum heiligen Tag, aber so ist er noch nicht der Offenbarer des Werktagsinnes. Der Wissende findet den, aber er ist noch nicht ausgesprochen. Es fehlt noch das Wort, das Sinnbild, das nun keinem anderen Zweck mehr dienstbar wäre als eben dem: den Sinn des ganzen Wochenwerks auszusprechen. Dies sinnbildliche Wort vom Sinn unseres Werks liegt ausgesprochen in dem, was wir eben um dieses seines inneren Sinnes willen den Gottesdienst, den sonntäglichen Gottesdienst nennen. Erst dadurch erfüllt sich die Heiligkeit des Sonntags, daß er durch den „Gottesdienst” offen und gesammelt vom Heile redet. Das ist solcher Gottesdienst: Gott die Ehre bezeugen im Gleichnis irdischer Huldigungen, wie wir am Werktag tun im Wagnis unseres Werks. Die Ehre, daß wir ihn loben, ja sagen zu seinem Wesen und zu seinen Taten; daß wir ihm danken, ja sagen zu dem Weg, den er uns selber führt. Die Ehre, daß wir auf sein Wort hören, horchen und gehorchen auf die Stimme seiner Offenbarung; daß wir uns vor ihm demütigen als die , die wissen um ihre Ohnmacht und Verlorenheit; daß wir ihn bitten und uns von ihm helfen lassen und uns alles Guts von ihm versehen. Solcher Gottesdienst im offenen Sinnbild ist wohl nicht beschränkt auf den heiligen Tag. Die Wendestunden des Tages müssen auch in der Woche dazu Raum geben im Morgengebet und Mittagsgebet und Abendsegen. Aber dort sind sie eingeengt vom irdisch Zweckhaften, hier können sie sich entfalten zu voller Kraft. Und beides stützt und stärkt sich gegenseitig: Die tägliche Wiederkehr unterm Werk und die Farbenfülle und Sammlung des Feiertags. So ists ja überhaupt: der Sonntag zieht seinen Sinn aus dem Werktag und seinem Werk, steht und fällt mit diesem. Und der Werktag zieht seinen Sinn aus dem Sonntag und seinem Werk, und zu höchst seiner Feier. Das Gottesjahr 1926, S. 40-42 © Greifenverlag Rudolstadt (Thür.) |
© Joachim Januschek Letzte Änderung: 12-10-12 |